Ein kluger Mensch hat mal gesagt: Die Deutschen sind wie ein Korb voller frisch gefangener Hummer. Immer wenn es einer von ihnen fast nach oben in die rettende Freiheit geschafft hat, ziehen die anderen ihn wieder herunter.
So ähnlich, scheint es, handhaben wir Deutschen es auch mit Politikern, Prominenten und anderen öffentlichen Institutionen. Die Liste der in jüngerer Zeit Erfolgreichen und wieder Heruntergezogenen ist lang. Den Anfang machte der einstige Shooting-Star der CSU, Karl-Theodor zu Guttenberg. Die öffentliche Meinung trug ihn hinauf in den Olymp kleindeutscher Götterverehrung und machte den fränkischen Freiherrn zum mit Abstand beliebtesten Politikdarsteller.
Schon sahen ihn viele als ernsthafte Gefahr und potenziellen Nachfolger für Bundeskanzlerin Angela Merkel. Harry-Potter-Brille statt Merkel-Raute. Dann kam der Sturz über die dümmlich kopierte Doktorarbeit. Noch im Fallen riss Ikarus zu Guttenberg Andere mit in den Abgrund. Darunter die Tochter seines CSU-Parteigenossen Edmund Stoiber, Bundesbildungsministerin Annette Schavan und die FDP-Hoffnungsträgerin Silvana Koch-Mehrin. Letztere war aber bereits angezählt, weil sie im Europaparlament durch überhohen „Geltungsdrang" aufgefallen war - getreu der alten Redewendung: „Willst du was gelten, mach dich selten."
Sie alle stolperten über das Wirken einer mehrheitlich im Dunkeln und dabei sehr akribisch tätigen Szene von selbstberufenen Plagiate-Ermittlern. Ein Großteil der Deutschen verurteilt deren Arbeit - aber sobald eine kopierte Doktorarbeit bekannt wird, schlägt die Stimmung um und fordert den Rücktritt des Ertappten.
„Ich liebe den Verrat, aber ich hasse den Verräter", soll Julius Cäsar einst gesagt haben. Und auch wenn es zu Cäsars Zeiten noch keine Enthüllungsplattform wie Vroniplag gab, so ist wohl ein weiteres Zitat kennzeichnend für eine Grundhaltung in der Politik. Shakespeare legt es seinem „Julius Cäsar" in den Mund: „Lasst wohlbeleibte Männer um mich sein." Denn die sind satt, gemütlich und streben nicht mehr nach Höherem.
Erfolgreiche und ehrgeizige Hummer sind hingegen auch bei anderen erfolgreichen und ehrgeizigen Hummern gefürchtet. Und das führt uns zur spannenden Frage, wer die aufstrebenden Krustentiere eigentlich immer wieder nach unten in den Korb schubst.
Wer sorgte beispielsweise dafür, dass das ZDF zwei Stunden vor der Polizei vor der Villa von Post-Chef Klaus Zumwinkel eintraf und feixend dessen Verhaftung wegen eines Steuerdelikts dokumentieren konnte? Wer verpfiff Uli Hoeneß und Alice Schwarzer an die Medien? Waren es wirklich nur kleine Finanzbeamte?
Kann sein. Wir wissen es nicht. Und auch wenn Alice Schwarzers Vermutung, wegen ihres Einsatzes gegen das Ehegattensplitting verraten worden zu sein, wenig glaubwürdig klingt. Zumindest vom Absturz der Gelben Engel des ADAC profitiert auch die Politik, namentlich CSU-Verkehrsminister Alexander Dobrindt.
Wo die Politik nicht nachhilft, stolpern manche über ihre eigene Bräsigkeit. Schon geraten mit der Stiftung Warentest und dem TÜV zwei weitere deutsche Institutionen in den Abwärtsstrudel. Sie stolpern über Schokoladenaroma und nachlässig geprüfte Brustimplantate. Darüber kann man wohl nur in Deutschland straucheln.
Aber halt, verurteilt wurde der TÜV in Frankreich. Wo übrigens gerade Präsident Hollande in Not ist. Der stolpert nicht nur über seine Wahlversprechen und den roten Teppich beim Staatsbesuch in Merkelland. Sondern auch über seine wenig glamouröse Affäre mit einer Schauspielerin. Präsidenten mit Affären sind die Franzosen gewohnt. Sonnenkönig Francois Mitterand führte jahrelang ein Doppelleben, Tochter inklusive. Der Geheimdienst half, das Staatsgeheimnis zu hüten.
Was ist dagegen ein erster Mann im Staat, der sich nachts auf dem Mofa mit verdunkeltem Visier aus dem Palast schleicht um zu seiner Geliebten zu tuckern. Das ist nicht „La Grande Nation", das erinnert eher an die Teenagerschmonzette „La Boum". Wenn die Großen schon betrügen und tief fallen, dann sollen sie es wenigstens mit Würde tun.
Aber warum wollen wir sie eigentlich fallen sehen? Vielleicht ist es ja unsere deutsche Geschichte mit zwei Diktaturen in einem Jahrhundert, die uns gegenüber selbsternannten Lichtgestalten so misstrauisch macht. Wir bauen ihnen marmorne Denkmäler und hauen dann so lange mit der Moralkeule dagegen, bis sich Risse zeigen. Den Rest erledigen die Journalisten. Oder ein Shitstorm im Internet.
Winston Churchill hat einmal wenig schmeichelhaft über die Deutschen gesagt: „Man hat sie entweder an seiner Gurgel oder zu seinen Füßen." Zumindest auf die Medien trifft dieses Zitat wohl zu. Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender des ehemaligen Zeitungshauses und heutigen Gemischtwarenkonzerns Axel Springer erklärte nach dem tiefen Fall von Christian Wulff selbstgerecht: „Wer mit der ‚Bild'-Zeitung im Aufzug nach oben fährt, der fährt auch mit ihr im Aufzug nach unten". Der glamourverliebte Wulff hatte als erster Bundespräsident das Blitzlicht gesucht und das Blaulicht gefunden.
Unter Journalisten gilt die alte Regel: „Hund beißt Mann" ist keine Story, „Mann beißt Hund" hingegen schon. Den Beißreflex besaß Wulff offenbar. Sich ausgerechnet BILD-Chefredakteur Kai Diekmann als Gegner auszusuchen, war hingegen dumm. Manchmal reicht es wohl nicht, mit einer PR-Beraterin verheiratet zu sein. Man muss auch auf sie hören. Aber vielleicht war auch genau das das Problem.
Das Jahr 2014 ist noch jung. Und hat uns schon viele gefallene Hummer beschert. Von diesen Tieren heißt es, dass sie die drohende Gefahr des Gekochtwerdens nicht bemerken, wenn man die Temperatur im Kochtopf nur langsam genug erhöht. Möglich, dass es vielen Prominenten auch so geht. Wer zwanzig Jahre lang auf einem Schwarzgeldkonto Steuern hinterzieht glaubt wahrscheinlich, dass dies auch einundzwanzig Jahre lang gut geht. Bis dann eines Morgens die Presse vor der Tür steht. Wollen wir hoffen, dass die Gefallenen dann wissen, was die Stunde geschlagen hat und sich ebenso geben. Alice Schwarzer hat gerade erklärt, einen Teil ihres geheimen Vermögens zu spenden. Das ist schon mal ein guter Anfang.
Blog: blog.kommunikation360.de
So ähnlich, scheint es, handhaben wir Deutschen es auch mit Politikern, Prominenten und anderen öffentlichen Institutionen. Die Liste der in jüngerer Zeit Erfolgreichen und wieder Heruntergezogenen ist lang. Den Anfang machte der einstige Shooting-Star der CSU, Karl-Theodor zu Guttenberg. Die öffentliche Meinung trug ihn hinauf in den Olymp kleindeutscher Götterverehrung und machte den fränkischen Freiherrn zum mit Abstand beliebtesten Politikdarsteller.
Schon sahen ihn viele als ernsthafte Gefahr und potenziellen Nachfolger für Bundeskanzlerin Angela Merkel. Harry-Potter-Brille statt Merkel-Raute. Dann kam der Sturz über die dümmlich kopierte Doktorarbeit. Noch im Fallen riss Ikarus zu Guttenberg Andere mit in den Abgrund. Darunter die Tochter seines CSU-Parteigenossen Edmund Stoiber, Bundesbildungsministerin Annette Schavan und die FDP-Hoffnungsträgerin Silvana Koch-Mehrin. Letztere war aber bereits angezählt, weil sie im Europaparlament durch überhohen „Geltungsdrang" aufgefallen war - getreu der alten Redewendung: „Willst du was gelten, mach dich selten."
Sie alle stolperten über das Wirken einer mehrheitlich im Dunkeln und dabei sehr akribisch tätigen Szene von selbstberufenen Plagiate-Ermittlern. Ein Großteil der Deutschen verurteilt deren Arbeit - aber sobald eine kopierte Doktorarbeit bekannt wird, schlägt die Stimmung um und fordert den Rücktritt des Ertappten.
„Ich liebe den Verrat, aber ich hasse den Verräter", soll Julius Cäsar einst gesagt haben. Und auch wenn es zu Cäsars Zeiten noch keine Enthüllungsplattform wie Vroniplag gab, so ist wohl ein weiteres Zitat kennzeichnend für eine Grundhaltung in der Politik. Shakespeare legt es seinem „Julius Cäsar" in den Mund: „Lasst wohlbeleibte Männer um mich sein." Denn die sind satt, gemütlich und streben nicht mehr nach Höherem.
Erfolgreiche und ehrgeizige Hummer sind hingegen auch bei anderen erfolgreichen und ehrgeizigen Hummern gefürchtet. Und das führt uns zur spannenden Frage, wer die aufstrebenden Krustentiere eigentlich immer wieder nach unten in den Korb schubst.
Wer sorgte beispielsweise dafür, dass das ZDF zwei Stunden vor der Polizei vor der Villa von Post-Chef Klaus Zumwinkel eintraf und feixend dessen Verhaftung wegen eines Steuerdelikts dokumentieren konnte? Wer verpfiff Uli Hoeneß und Alice Schwarzer an die Medien? Waren es wirklich nur kleine Finanzbeamte?
Kann sein. Wir wissen es nicht. Und auch wenn Alice Schwarzers Vermutung, wegen ihres Einsatzes gegen das Ehegattensplitting verraten worden zu sein, wenig glaubwürdig klingt. Zumindest vom Absturz der Gelben Engel des ADAC profitiert auch die Politik, namentlich CSU-Verkehrsminister Alexander Dobrindt.
Wo die Politik nicht nachhilft, stolpern manche über ihre eigene Bräsigkeit. Schon geraten mit der Stiftung Warentest und dem TÜV zwei weitere deutsche Institutionen in den Abwärtsstrudel. Sie stolpern über Schokoladenaroma und nachlässig geprüfte Brustimplantate. Darüber kann man wohl nur in Deutschland straucheln.
Aber halt, verurteilt wurde der TÜV in Frankreich. Wo übrigens gerade Präsident Hollande in Not ist. Der stolpert nicht nur über seine Wahlversprechen und den roten Teppich beim Staatsbesuch in Merkelland. Sondern auch über seine wenig glamouröse Affäre mit einer Schauspielerin. Präsidenten mit Affären sind die Franzosen gewohnt. Sonnenkönig Francois Mitterand führte jahrelang ein Doppelleben, Tochter inklusive. Der Geheimdienst half, das Staatsgeheimnis zu hüten.
Was ist dagegen ein erster Mann im Staat, der sich nachts auf dem Mofa mit verdunkeltem Visier aus dem Palast schleicht um zu seiner Geliebten zu tuckern. Das ist nicht „La Grande Nation", das erinnert eher an die Teenagerschmonzette „La Boum". Wenn die Großen schon betrügen und tief fallen, dann sollen sie es wenigstens mit Würde tun.
Aber warum wollen wir sie eigentlich fallen sehen? Vielleicht ist es ja unsere deutsche Geschichte mit zwei Diktaturen in einem Jahrhundert, die uns gegenüber selbsternannten Lichtgestalten so misstrauisch macht. Wir bauen ihnen marmorne Denkmäler und hauen dann so lange mit der Moralkeule dagegen, bis sich Risse zeigen. Den Rest erledigen die Journalisten. Oder ein Shitstorm im Internet.
Winston Churchill hat einmal wenig schmeichelhaft über die Deutschen gesagt: „Man hat sie entweder an seiner Gurgel oder zu seinen Füßen." Zumindest auf die Medien trifft dieses Zitat wohl zu. Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender des ehemaligen Zeitungshauses und heutigen Gemischtwarenkonzerns Axel Springer erklärte nach dem tiefen Fall von Christian Wulff selbstgerecht: „Wer mit der ‚Bild'-Zeitung im Aufzug nach oben fährt, der fährt auch mit ihr im Aufzug nach unten". Der glamourverliebte Wulff hatte als erster Bundespräsident das Blitzlicht gesucht und das Blaulicht gefunden.
Unter Journalisten gilt die alte Regel: „Hund beißt Mann" ist keine Story, „Mann beißt Hund" hingegen schon. Den Beißreflex besaß Wulff offenbar. Sich ausgerechnet BILD-Chefredakteur Kai Diekmann als Gegner auszusuchen, war hingegen dumm. Manchmal reicht es wohl nicht, mit einer PR-Beraterin verheiratet zu sein. Man muss auch auf sie hören. Aber vielleicht war auch genau das das Problem.
Das Jahr 2014 ist noch jung. Und hat uns schon viele gefallene Hummer beschert. Von diesen Tieren heißt es, dass sie die drohende Gefahr des Gekochtwerdens nicht bemerken, wenn man die Temperatur im Kochtopf nur langsam genug erhöht. Möglich, dass es vielen Prominenten auch so geht. Wer zwanzig Jahre lang auf einem Schwarzgeldkonto Steuern hinterzieht glaubt wahrscheinlich, dass dies auch einundzwanzig Jahre lang gut geht. Bis dann eines Morgens die Presse vor der Tür steht. Wollen wir hoffen, dass die Gefallenen dann wissen, was die Stunde geschlagen hat und sich ebenso geben. Alice Schwarzer hat gerade erklärt, einen Teil ihres geheimen Vermögens zu spenden. Das ist schon mal ein guter Anfang.
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