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Die Liebe zum Ball

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Stille.
Ich höre nichts. Nicht das übliche Surren meines Computers. Nicht das Vibrieren meines Handys. Nicht das Geplärre meines Fernsehers. Es ist einfach nur still.
Ich bin alleine. In meine Wohnung scheint das kühle, hellgraue Januarlicht. Ich liege auf meinem Bett und starre in den Raum. Es ist 15:29 Uhr. Der Tag rauscht vorbei. So still und einsam wie schon seit Ewigkeiten nicht mehr.

Auf meinem Schreibtisch befinden sich ungeordnet verschiedene Zeitungen. Mittendrin liegen Fotos aus dem letzten Sommer von zwei Hochzeiten, die ich damals besucht habe. Es wirkt wie ein Kontrastprogramm. Knallende, helle Farben. Lachende, glückliche Gesichter. Auf den Bildern wimmelt es nur so von glücklichen Pärchen.

Als ich in die Küche gehe, fällt ein Foto vom Tisch auf den Boden. Ich hebe es auf. Darauf erkenne ich mich selber. Grinsend bis zum Mond. Frisch verliebt. Auf der Rückseite steht „28.August 2013". Dass dieses Bild erst fünf Monate alt sein soll, kann ich nicht glauben. Damals war meine Beziehung auf dem absoluten Höhepunkt. Es war alles so wunderbar. Fast zu schön um wahr zu sein. Nur eine Woche später ging es dann los. „Krise" nennen es manche. Ich nenne es „Verzweiflung".

Zwei Tage vor Weihnachten hat mich das unangenehme Gefühl komplett und endgültig im Griff. Unsere Beziehung scheint dem Ende geweiht. Eine Pause wolle sie einlegen. Zwei Tage vor Weihnachten. Sie muss den Verstand verloren haben. Wie es denn nach solch einer verfahrenen Situation anständig weitergehen soll, frage ich sie. Das wüsste sie jetzt auch nicht. Sie sei verletzt, ausgebrannt und brauche Zeit zum Luft holen. Bis sie zurück sei könne ich machen, was auch immer ich machen wolle. Sie würde erst einmal zu ihren Eltern in den Süden fahren, um sich zu erholen.

Am 23. Dezember gehe ich mit Kumpels in einen Irish Pub. Die Stimmung in der Kneipe ist vorweihnachtlich, mir persönlich ist einfach nur schlecht. Ein Kumpel kommt zu mir an den Tisch. Er holt sein Handy raus und zeigt mir Bilder einer Bekannten. Auch ein skurriles Youtube-Video ist dabei. Aus England käme sie. Sie sei grob, laut, aber enorm unterhaltsam und bis Ende Januar in der Stadt.

Drei Tage später wird sie mir auf einer Party vorgestellt. Wir landen miteinander im Bett und treffen uns darauf immer und immer wieder. Manchmal auch unter der Woche. Doch irgendwie ist es nicht das Gleiche. Irgendetwas fehlt.
Mitte Januar beschließe ich, mich nun nur noch der Arbeit zu widmen. Seit einer Woche ist das nun so. Seitdem arbeite ich von zu Hause aus. Nur für mich. Ich versuche all das zu vergessen. Es klappt eher schlecht als recht.

Inzwischen ist es 16:14 Uhr. Ich liege wieder auf meinem Bett und glotze vor mich hin. Ohne es richtig zu bemerken hole ich mein Handy raus und öffne meine Facebook-App. Ich scrolle lustlos zwischen den Posts meiner Freunde hin und her. Auf einmal stocke ich. Mein Herz bleibt stehen. Inga Sedbul hat ihren Status aktualisiert: „Ab in Richtung Heimat". Das ist sie! Ich brauche ein paar Sekunden, um zu verstehen, was ich da gerade gelesen hab. Dann springe ich auf, renne ins Bad und beginne sofort mich zu rasieren. Als ich fertig bin und zum ersten Mal seit Wochen mein glattes Gesicht im Spiegel sehe, kann ich nur an eine Sache denken. „Sie ist wieder da! Sie kommt zurück! Es geht wieder los!"

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