Für Serbiens Geheimdienste zählte Mord zum Alltag. Viele der spektakulärsten Fälle - etwa die Morde am Verleger Curuvija, am ehemaligen Oppositionellen Vuk Draskovic, Serbiens ehemaligem Präsidenten Ivan Stambolic oder dem Richter Simeunovic - vielleicht auch am serbischen Premier Zoran Djindjic - werden dennoch erst dann gesühnt sein, wenn eines Tages die wahren Auftraggeber vor Gericht stehen.
Doch es ist zu vermuten, dass hier nur die Spitze eines Eisbergs abgetragen wird, unter welchem sich noch erschreckendere Zahlen und Schicksale verbergen, die vermutlich nie aufgeklärt werden können.
Gerieten Zeitgenossen ohne VIP-Faktor in den Fokus der Geheimdienste, dann bedurfte es keiner Legitimation durch hohe Amtsträger, um sich ihrer zu entledigen. Bei fingierten Verkehrsunfällen nach dem Krieg sollen Hunderte von Personen entsorgt worden sein, deren Wissen als gefährlich eingeschätzt wurde und die begannen, leichtfertig darüber zu reden. Dabei folgte dem Fahrzeug, das bewusst den Zusammenstoß provozierte, häufig bereits der Sanitätswagen auf den Fuss. Dem nur leicht Verletzten wurde erst dann die tödliche Injektion verabreicht.
Absurd? Nein. Die ehemalige serbische Justizministerin Snezana Malovic bestätigte schon vor 3 Jahren die Suche nach dem Arzt Miroslav Risovic, der sich nach dem Attentat auf Djindjic nach Kanada abgesetzt hatte. Risovic arbeitete als Anästhesist im Belgrader Klinikzentrum und soll Zeugenaussagen zufolge als Mitglied der Mafia und des Geheimdienstes jahrelang die Aufgabe gehabt haben, Überlebende von Mordanschlägen im Krankenhaus zu töten.
Am Tag der Ermordung Djindjics (12.3.2003) habe er in ständigem Kontakt mit dem Drahtzieher des Attentats Milorad Ulemek-Legija, dem jetzigen Kronzeugen bei der Curuvija-Anklage und ehemaligen Kommandanten der Spezialeinheit der Polizei, gestanden. Djindjics Nachfolger Zoran Zivkovic bestätigte, dass der serbische Dr.Mengele auch bei der erfolglosen Reanimierung des Premiers anwesend gewesen sei.
Doch nicht nur in Serbien und dem damals mit Serbien noch verbundenen Montenegro wurde fieberhaft nach Gefahren für das Regime gesucht. Schon Mitte der 90-er Jahre, während des Bosnienkriegs, gab es kaum Zweifel, dass Milosevics Geheimdienst auch grenzüberschreitend der dortigen serbisch-bosnischen Führung Amtshilfe leistete.
Nur Naive mochten anfangs noch glauben, dass der serbische TV-Redakteur Risto Djogo am 10.9.1994 nach einem humanitären Konzert mit anschließendem Empfang in der Zvorniker Sporthalle betrunken von einem Felsen in den Fluss Drina stürzte. Man hege große Zweifel, schrieb die Zeitschrift vreme danach, ob sein Tod nicht auch dem Wunsch einiger Gegner entsprach.
Zwar galt der einflussreiche TV-Journalist als serbischer Nationalist, ließ gleichzeitig aber auch keine Gelegenheit aus, sich über Milosevic lustig zu machen. Seine populären Witze über den Herrscher aus Belgrad stießen dort nicht auf Wohlwollen. Einen davon erzählte er Zeugen zufolge noch kurz vor seinem Felsensturz den offensichtlich peinlich berührten Gästen: Milosevic, seine Ehefrau Mira, Tochter Maria und Sohn Marko säßen im Flugzeug. Erst werfe Ehefrau Mira einen 100-DM-Schein aus dem Fenster, um einen Menschen glücklich zu machen. Maria werfe danach zwei 50 DM-Scheine aus dem Flugzeug, um zwei Menschen glücklich zu machen. Marko frage schließlich den Pilot um Rat, wieviel er abwerfen solle, um möglichst viele Menschen glücklich zu machen. Werfe den Vater runter, habe die Antwort gelautet, ...dann wirst du alle Serben glücklich machen. Auch zahlreiche weitere Liquidierungen in Bosnien trugen eindeutig die Handschrift der Belgrader Schaltzentrale.
Doch kehren wir zurück in die Gegenwart.
Statt die Hintergründe der Mordserien aufzuklären, beschuldigten sich vergangene Woche Radomir Markovic und Milorad Ulema-Legija überraschend gegenseitig eines Massakkers im Kosovo und lösen damit Entsetzen in der Bevölkerung aus. 15 Jahre nach Ende des Kosovokriegs erfährt diese, sozusagen als Nebenprodukt einer Attentatsermittlung, dass Milosevic aus Propagandagründen die eigenen Landsleute im Kosovo ermorden ließ.
6 serbische Jugendliche waren am 14.12.1998 bei einem Cafebesuch im westkosovarischen Pec erschossen worden. Für die Belgrader Medien waren die Schuldigen schnell gefunden: die kosovo-albanische Befreiungsarmee UCK. Milosevic wollte sie durch diese Greueltag in den Augen der internationalen Gemeinschaft als terroristische Organisation diskreditieren. Gleichzeitig startete er mit Hinweis auf den Anschlag eine Großoffensive von Polizei und Armee gegen die Kosovo-Albaner. Legija negiert die ihm angelastete Tat keineswegs, behauptet jedoch den Auftrag von Markovic erhalten zu haben.
Schon in den vergangenen Monaten war bekannt geworden, dass ein angeblicher Nato-Angriff auf ein Gefängnis im Kosovo mit über 90 albanischen Toten in Wirklichkeit ein aus Belgrad organisiertes Massaker war. Serbischen Kriminellen war eine Löschung ihrer Dossiers versprochen worden, wenn sie ein Blutbad unter den albanischen Gefangenen anrichten würden. Dieses sollte später der Nato angelastet werden. Auch hier soll der Geheimdienst federführend gewesen sein.
Vieles gilt es aufzuarbeiten in der serbischen Politik, die bislang - auch ohne Milosevic - überzeugt war, dass Serbien während des jugoslawischen Zerfalls Opfer und nicht Täter war.
Für Aleksandar Vucic wäre ein Prozess gegen Dutzende von Handlangern oder Todesschützen nur ein oberflächlicher Erfolg, der von dem beklemmenden Gefühl überschattet würde, dass die tatsächlichen Hintermänner ihrer gerechten Strafe wie schon im Fall des ermordeten Zoran Djindjic einmal mehr entkommen. So kann man ihm nur wünschen, dass ihm das Desaster seiner Vorgänger erspart bleibt. Schon 2006 standen die Ermittlungen über das Attentat auf den Verleger Curuvija kurz vor dem Abschluss. Dann wurden alle weiteren Nachforschungen plötzlich eingestellt, die Akten verstaubten in den Schubladen der Behörden. Und Russland erteilte Mirjana Markovic politisches Asyl mit dem Hinweis, eine Auslieferung käme nicht infrage.
Doch es ist zu vermuten, dass hier nur die Spitze eines Eisbergs abgetragen wird, unter welchem sich noch erschreckendere Zahlen und Schicksale verbergen, die vermutlich nie aufgeklärt werden können.
Gerieten Zeitgenossen ohne VIP-Faktor in den Fokus der Geheimdienste, dann bedurfte es keiner Legitimation durch hohe Amtsträger, um sich ihrer zu entledigen. Bei fingierten Verkehrsunfällen nach dem Krieg sollen Hunderte von Personen entsorgt worden sein, deren Wissen als gefährlich eingeschätzt wurde und die begannen, leichtfertig darüber zu reden. Dabei folgte dem Fahrzeug, das bewusst den Zusammenstoß provozierte, häufig bereits der Sanitätswagen auf den Fuss. Dem nur leicht Verletzten wurde erst dann die tödliche Injektion verabreicht.
Absurd? Nein. Die ehemalige serbische Justizministerin Snezana Malovic bestätigte schon vor 3 Jahren die Suche nach dem Arzt Miroslav Risovic, der sich nach dem Attentat auf Djindjic nach Kanada abgesetzt hatte. Risovic arbeitete als Anästhesist im Belgrader Klinikzentrum und soll Zeugenaussagen zufolge als Mitglied der Mafia und des Geheimdienstes jahrelang die Aufgabe gehabt haben, Überlebende von Mordanschlägen im Krankenhaus zu töten.
Am Tag der Ermordung Djindjics (12.3.2003) habe er in ständigem Kontakt mit dem Drahtzieher des Attentats Milorad Ulemek-Legija, dem jetzigen Kronzeugen bei der Curuvija-Anklage und ehemaligen Kommandanten der Spezialeinheit der Polizei, gestanden. Djindjics Nachfolger Zoran Zivkovic bestätigte, dass der serbische Dr.Mengele auch bei der erfolglosen Reanimierung des Premiers anwesend gewesen sei.
Doch nicht nur in Serbien und dem damals mit Serbien noch verbundenen Montenegro wurde fieberhaft nach Gefahren für das Regime gesucht. Schon Mitte der 90-er Jahre, während des Bosnienkriegs, gab es kaum Zweifel, dass Milosevics Geheimdienst auch grenzüberschreitend der dortigen serbisch-bosnischen Führung Amtshilfe leistete.
Nur Naive mochten anfangs noch glauben, dass der serbische TV-Redakteur Risto Djogo am 10.9.1994 nach einem humanitären Konzert mit anschließendem Empfang in der Zvorniker Sporthalle betrunken von einem Felsen in den Fluss Drina stürzte. Man hege große Zweifel, schrieb die Zeitschrift vreme danach, ob sein Tod nicht auch dem Wunsch einiger Gegner entsprach.
Zwar galt der einflussreiche TV-Journalist als serbischer Nationalist, ließ gleichzeitig aber auch keine Gelegenheit aus, sich über Milosevic lustig zu machen. Seine populären Witze über den Herrscher aus Belgrad stießen dort nicht auf Wohlwollen. Einen davon erzählte er Zeugen zufolge noch kurz vor seinem Felsensturz den offensichtlich peinlich berührten Gästen: Milosevic, seine Ehefrau Mira, Tochter Maria und Sohn Marko säßen im Flugzeug. Erst werfe Ehefrau Mira einen 100-DM-Schein aus dem Fenster, um einen Menschen glücklich zu machen. Maria werfe danach zwei 50 DM-Scheine aus dem Flugzeug, um zwei Menschen glücklich zu machen. Marko frage schließlich den Pilot um Rat, wieviel er abwerfen solle, um möglichst viele Menschen glücklich zu machen. Werfe den Vater runter, habe die Antwort gelautet, ...dann wirst du alle Serben glücklich machen. Auch zahlreiche weitere Liquidierungen in Bosnien trugen eindeutig die Handschrift der Belgrader Schaltzentrale.
Doch kehren wir zurück in die Gegenwart.
Statt die Hintergründe der Mordserien aufzuklären, beschuldigten sich vergangene Woche Radomir Markovic und Milorad Ulema-Legija überraschend gegenseitig eines Massakkers im Kosovo und lösen damit Entsetzen in der Bevölkerung aus. 15 Jahre nach Ende des Kosovokriegs erfährt diese, sozusagen als Nebenprodukt einer Attentatsermittlung, dass Milosevic aus Propagandagründen die eigenen Landsleute im Kosovo ermorden ließ.
6 serbische Jugendliche waren am 14.12.1998 bei einem Cafebesuch im westkosovarischen Pec erschossen worden. Für die Belgrader Medien waren die Schuldigen schnell gefunden: die kosovo-albanische Befreiungsarmee UCK. Milosevic wollte sie durch diese Greueltag in den Augen der internationalen Gemeinschaft als terroristische Organisation diskreditieren. Gleichzeitig startete er mit Hinweis auf den Anschlag eine Großoffensive von Polizei und Armee gegen die Kosovo-Albaner. Legija negiert die ihm angelastete Tat keineswegs, behauptet jedoch den Auftrag von Markovic erhalten zu haben.
Schon in den vergangenen Monaten war bekannt geworden, dass ein angeblicher Nato-Angriff auf ein Gefängnis im Kosovo mit über 90 albanischen Toten in Wirklichkeit ein aus Belgrad organisiertes Massaker war. Serbischen Kriminellen war eine Löschung ihrer Dossiers versprochen worden, wenn sie ein Blutbad unter den albanischen Gefangenen anrichten würden. Dieses sollte später der Nato angelastet werden. Auch hier soll der Geheimdienst federführend gewesen sein.
Vieles gilt es aufzuarbeiten in der serbischen Politik, die bislang - auch ohne Milosevic - überzeugt war, dass Serbien während des jugoslawischen Zerfalls Opfer und nicht Täter war.
Für Aleksandar Vucic wäre ein Prozess gegen Dutzende von Handlangern oder Todesschützen nur ein oberflächlicher Erfolg, der von dem beklemmenden Gefühl überschattet würde, dass die tatsächlichen Hintermänner ihrer gerechten Strafe wie schon im Fall des ermordeten Zoran Djindjic einmal mehr entkommen. So kann man ihm nur wünschen, dass ihm das Desaster seiner Vorgänger erspart bleibt. Schon 2006 standen die Ermittlungen über das Attentat auf den Verleger Curuvija kurz vor dem Abschluss. Dann wurden alle weiteren Nachforschungen plötzlich eingestellt, die Akten verstaubten in den Schubladen der Behörden. Und Russland erteilte Mirjana Markovic politisches Asyl mit dem Hinweis, eine Auslieferung käme nicht infrage.