Mut kann man Aleksandar Vucic, dem serbischen Vizepremier und vermutlich künftigen Premier des Landes, nicht abstreiten. Mit der Verhaftung zweier ehemaliger Geheimdienstmitarbeiter vergangene Woche als vermutliche Todesschützen bei der Ermordung des serbischen Verlegers Slavko Curuvija am 11.4.1999 sticht er allerdings in ein gefährliches Wespennetz, das schnell zum Bumerang werden könnte.
Die Gefahr liegt dabei weniger an der Glaubwürdigkeit des Kronzeugen, des u.a. wegen Mordes am serbischen Premier Zoran Djindjic (2003) zu 40 Jahren Haft verurteilten Milorad Ulema Legija - einem ehemaligen Kommandanten einer Spezialeinheit der Polizei mit Tötungslizenz. Schließlich, so die Staatsanwaltschaft, habe man etliche Morde auch in der Vergangenheit nur dank Hinweisen aus dem kriminellen Insidermilieu aufdecken können. Auch die Tatsache, dass Vucic zum Zeitpunkt des Curuvija-Mordes Informationsminister war und Serbiens derzeitiger Premier Ivica Dacic ein enger Vertrauter Milosevics ist für die Öffentlichkeit zunächst kein großes Handicap.
Die Vorschusslorbeeren als rücksichtsloser Aufdecker von Korruption und Kriminalität - und sei es in den eigenen Reihen - kann Vucic aber nur dann rechtfertigen, wenn sich neben den Handlangern auch die tatsächlichen Auftraggeber und Hintermänner auf der Anklagebank finden. Schließlich war es niemals ein Geheimnis, dass der ehemalige serbische Geheimdienst und dessen damaliger Chef Radomir Markovic Organisator Dutzender von Liquidierungen während der Milosevic-Ära war. Wenig wahrscheinlich ist jedoch, dass dieser mit einem blankoscheck des Regimes handelte.
Mittlerweile hat sich auch die EU der Forderung nach Ausweitung der Ermittlungen auf die Auftraggeber dieser Verbrechen angeschlossen. EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle sieht darin eine notwendige Voraussetzung, damit Serbien bei den künftigen Beitrittsgesprächen die nötige Kredibilität besitze.
Doch hier beginnt das Dilemma. Niemand zweifelt daran, dass nur die Milosevic-Familie selbst die Entscheidung über Leben oder Tod ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen Gegner, über heimliche Machtanwärter oder gefährliche Augenzeugen der Kriegspolitik Milosevics treffen konnte. Initiatorin der Morde sei jedoch Milosevics Ehefrau Mirjana Markovic, im Volksmund „die Hexe" genannt, gewesen. Dies behauptet nicht nur die bekannte Soziologin Vesna Pesic, die maßgeblich am Sturz Milosevics beteiligt war.
Auch die Mehrzahl der Bevölkerung sowie die Angehörigen der Opfer stimmen ihr zu. Die ehemalige Präsidentin der „Jugoslawischen Linken" (JUL), einer neokommunistischen Partei und Vereinigung von Kriegsprofiteuren, war 2003 nach Russland geflohen und lebt dort samt Sohn Marko im Eliteviertel nahe Putins Residenz.
Mirjana Markovic wird vorgeworfen, beim Kampf um die Machterhaltung ihres Gatten und dem Schutz des Zigaretten-Schwarzmarkt-Imperiums von Sohn Marko keine Skrupel gekannt zu haben. Wer vom Günstling zum Kritiker des Herrscherpaares wurde, hatte Glück, wenn sich der Unmut der Präsidentengattin nur in einer medialen Vernichtungskampagne niederschlug.
Curuvijas ehemalige Kollege Radoslav Petkovic erinnert sich, wie ihm der Verleger von einem letzten Gespräch mit der „First Lady" berichtete: Sie sei wütend gewesen und hätte beim Abschied Tränen in den Augen gehabt. Mein Kommentar, sagt Petkovic, war damals: Slavko ist tot. Mira hat bereits seinen Sarg beweint.
Einen Tag später wurde der Journalist nicht nur in den Medien vorsorglich als Verräter gebrandmarkt, der die bereits seit 2 Wochen über Belgrad fallenden Natobomben herbeigewünscht habe, sondern mit 17 Kugeln im Zentrum Belgrads vor seiner Mietswohnung durchsiebt - der letzte Schuss direkt in den Kopf. 8 Tage lang hatten ihn 27 Mitarbeiter des Geheimdienstes rund um die Uhr beobachtet. Als sie den telefonischen Befehl zum Rückzug erhielten, war dies das obligatorische Zeichen für die unmittelbare Vollstreckung des Todesurteils.
Nie werde sie diese ruhige Kaltblütigkeit vergessen, mit welcher der schwarz vermummte Mörder einem Menschen das Leben nahm, sagt die Historikerin Branka Prkpa später. Sie hatte ihren Lebensgefährtin an diesem 11.April 1999 , dem orthodoxen Osterfest, begleitet und war von einem zweiten Attentäter mit einem Gewehrlauf von hinten niedergeschlagen worden.
Als tatsächlicher Hintergrund des Mordes wird eine Reise Curuvijas in die USA vermutet, die vor allem Mirjana Markovic missfiel. Spekulationen, er könne sich dabei die Unterrstützung Washingtons bei der Ablösung Milosevics gesichert haben, wurden laut. Die angekündigte Gründung einer eigenen Partei war dann nur noch Öl ins Feuer dieser Gerüchte.
Glaubt man den Aussagen des ehemaligen serbischen Premier Zoran Djindjic (ermordet 2003, ebenfalls vom Geheimdienst), sollten während der Natobombardierung im Falle von Unruhen in der Bevölkerung sofort Todesschwadronen Dutzende von Intellektuellen töten. Ein Geheimdienstmitarbeiter hatte Djindjic im Vertrauen die Liste der zu Liquidierenden gezeigt, auf der auch sein Name stand.
Djindjic, damals noch Oppositioneller, versteckte sich daraufhin bis Kriegsende in Montenegro.
Wer jedoch gehofft hatte, das Kriegsende werde auch die Mordlust der Geheimdienste stoppen, sah sich getäuscht. Im Gegenteil. Im Hause Milosevic manifestierte sich paranoische Angst vor einem Machtverlust sowie steigendes Misstrauen gegenüber Mitwissern serbischer Kriegspolitik.
Attentate wurden kaum noch glaubwürdig getarnt. Niemand in der Bevölkerung glaubte deshalb an einen Unfall, als ein knappes halbes Jahr nach dem Mord an Curuvija der Oppositionelle Vuk Draskovic mit kaum nachvollziehbarem Glück einem Zusammenstoss mit einem Lkw entging.
Fortsetzung folgt.
Die Gefahr liegt dabei weniger an der Glaubwürdigkeit des Kronzeugen, des u.a. wegen Mordes am serbischen Premier Zoran Djindjic (2003) zu 40 Jahren Haft verurteilten Milorad Ulema Legija - einem ehemaligen Kommandanten einer Spezialeinheit der Polizei mit Tötungslizenz. Schließlich, so die Staatsanwaltschaft, habe man etliche Morde auch in der Vergangenheit nur dank Hinweisen aus dem kriminellen Insidermilieu aufdecken können. Auch die Tatsache, dass Vucic zum Zeitpunkt des Curuvija-Mordes Informationsminister war und Serbiens derzeitiger Premier Ivica Dacic ein enger Vertrauter Milosevics ist für die Öffentlichkeit zunächst kein großes Handicap.
Die Vorschusslorbeeren als rücksichtsloser Aufdecker von Korruption und Kriminalität - und sei es in den eigenen Reihen - kann Vucic aber nur dann rechtfertigen, wenn sich neben den Handlangern auch die tatsächlichen Auftraggeber und Hintermänner auf der Anklagebank finden. Schließlich war es niemals ein Geheimnis, dass der ehemalige serbische Geheimdienst und dessen damaliger Chef Radomir Markovic Organisator Dutzender von Liquidierungen während der Milosevic-Ära war. Wenig wahrscheinlich ist jedoch, dass dieser mit einem blankoscheck des Regimes handelte.
Mittlerweile hat sich auch die EU der Forderung nach Ausweitung der Ermittlungen auf die Auftraggeber dieser Verbrechen angeschlossen. EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle sieht darin eine notwendige Voraussetzung, damit Serbien bei den künftigen Beitrittsgesprächen die nötige Kredibilität besitze.
Doch hier beginnt das Dilemma. Niemand zweifelt daran, dass nur die Milosevic-Familie selbst die Entscheidung über Leben oder Tod ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen Gegner, über heimliche Machtanwärter oder gefährliche Augenzeugen der Kriegspolitik Milosevics treffen konnte. Initiatorin der Morde sei jedoch Milosevics Ehefrau Mirjana Markovic, im Volksmund „die Hexe" genannt, gewesen. Dies behauptet nicht nur die bekannte Soziologin Vesna Pesic, die maßgeblich am Sturz Milosevics beteiligt war.
Auch die Mehrzahl der Bevölkerung sowie die Angehörigen der Opfer stimmen ihr zu. Die ehemalige Präsidentin der „Jugoslawischen Linken" (JUL), einer neokommunistischen Partei und Vereinigung von Kriegsprofiteuren, war 2003 nach Russland geflohen und lebt dort samt Sohn Marko im Eliteviertel nahe Putins Residenz.
Mirjana Markovic wird vorgeworfen, beim Kampf um die Machterhaltung ihres Gatten und dem Schutz des Zigaretten-Schwarzmarkt-Imperiums von Sohn Marko keine Skrupel gekannt zu haben. Wer vom Günstling zum Kritiker des Herrscherpaares wurde, hatte Glück, wenn sich der Unmut der Präsidentengattin nur in einer medialen Vernichtungskampagne niederschlug.
Curuvijas ehemalige Kollege Radoslav Petkovic erinnert sich, wie ihm der Verleger von einem letzten Gespräch mit der „First Lady" berichtete: Sie sei wütend gewesen und hätte beim Abschied Tränen in den Augen gehabt. Mein Kommentar, sagt Petkovic, war damals: Slavko ist tot. Mira hat bereits seinen Sarg beweint.
Einen Tag später wurde der Journalist nicht nur in den Medien vorsorglich als Verräter gebrandmarkt, der die bereits seit 2 Wochen über Belgrad fallenden Natobomben herbeigewünscht habe, sondern mit 17 Kugeln im Zentrum Belgrads vor seiner Mietswohnung durchsiebt - der letzte Schuss direkt in den Kopf. 8 Tage lang hatten ihn 27 Mitarbeiter des Geheimdienstes rund um die Uhr beobachtet. Als sie den telefonischen Befehl zum Rückzug erhielten, war dies das obligatorische Zeichen für die unmittelbare Vollstreckung des Todesurteils.
Nie werde sie diese ruhige Kaltblütigkeit vergessen, mit welcher der schwarz vermummte Mörder einem Menschen das Leben nahm, sagt die Historikerin Branka Prkpa später. Sie hatte ihren Lebensgefährtin an diesem 11.April 1999 , dem orthodoxen Osterfest, begleitet und war von einem zweiten Attentäter mit einem Gewehrlauf von hinten niedergeschlagen worden.
Als tatsächlicher Hintergrund des Mordes wird eine Reise Curuvijas in die USA vermutet, die vor allem Mirjana Markovic missfiel. Spekulationen, er könne sich dabei die Unterrstützung Washingtons bei der Ablösung Milosevics gesichert haben, wurden laut. Die angekündigte Gründung einer eigenen Partei war dann nur noch Öl ins Feuer dieser Gerüchte.
Glaubt man den Aussagen des ehemaligen serbischen Premier Zoran Djindjic (ermordet 2003, ebenfalls vom Geheimdienst), sollten während der Natobombardierung im Falle von Unruhen in der Bevölkerung sofort Todesschwadronen Dutzende von Intellektuellen töten. Ein Geheimdienstmitarbeiter hatte Djindjic im Vertrauen die Liste der zu Liquidierenden gezeigt, auf der auch sein Name stand.
Djindjic, damals noch Oppositioneller, versteckte sich daraufhin bis Kriegsende in Montenegro.
Wer jedoch gehofft hatte, das Kriegsende werde auch die Mordlust der Geheimdienste stoppen, sah sich getäuscht. Im Gegenteil. Im Hause Milosevic manifestierte sich paranoische Angst vor einem Machtverlust sowie steigendes Misstrauen gegenüber Mitwissern serbischer Kriegspolitik.
Attentate wurden kaum noch glaubwürdig getarnt. Niemand in der Bevölkerung glaubte deshalb an einen Unfall, als ein knappes halbes Jahr nach dem Mord an Curuvija der Oppositionelle Vuk Draskovic mit kaum nachvollziehbarem Glück einem Zusammenstoss mit einem Lkw entging.
Fortsetzung folgt.