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Nicht fertig geworden?

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"Der Spieler" nach Dostojewskij in Düsseldorf auf der Bühne

DÜSSELDORF. Zäh zog sich das Ende, die Bearbeitung von Dostojewskijs „Spieler" (1866) für das Düsseldorfer Schauspiel war mit dreieinhalb Stunden wenigstens eine Stunde zu lang, ein Dialog blieb über weite Strecken ohne Substanz, sprachlich mau - und dabei hatte alles so vielversprechend, herausragend, hochdramatisch begonnen.


Lustvoll, pervers, brillant

Karin Pfammater gelang ein denkwürdiger Auftritt. Sie gestaltete einen Exzess der Spielleidenschaft. Nachdem sie als reiche Erbtante Koffer voller Geld auf dem Altar des Roulettes geopfert hat, setzt sie, wie im Rausch, ihre Schuhe und reißt sich die Kleider vom Leib. Splitterfasernackt wälzt sich die Pfammater in dieser beeindruckenden Schlüsselszene in den Geldscheinen und findet kein Ende in diesem Anfall von Gier, Wahn, Angst und Lust. Das Premierenpublikum würdigte diesen kühnen und über alle Erwartung geglückten Auftritt am Samstagabend im Großen Haus des Düsseldorfer Schauspiels mit Szenenbeifall.

Oma spielt

Die Geschichte ist bekannt: Ein russischer General und seine Entourage haben in einem deutschen Kurort ihr ganzes Geld beim Roulette verspielt. Sie hoffen auf den baldigen Tod der reichen Erbtante, um ihre Schulden bezahlen zu können - doch plötzlich erscheint die alte Dame putzmunter in ihrem Kreis und beginnt selbst zu spielen. Die Bearbeitung erzählt den großen Bogen von Dostojewskijs Roman nach, weicht aber immer wieder von der Handlung ab, um den Schauspielern Freiraum für Improvisationen zu schaffen. Das gesamte Ensemble spielt glänzend, aber Karin Pfammatter, die sich nackt im Geld wälzt, ragt doch heraus, neben ihr Edgar Eckert als Alexej, der Spieler. Sein großer Monolog, in dem er schildert, wie er an einem Abend einen Gewinn auf den anderen häuft, ist ein Meisterstück. Er zeigt das Fiebrig-Irrationale, das den Roman und die Inszenierung in der Tiefe wie an der Oberfläche prägt.

Die Maske hat den Schauspielern rote Flecken ins Gesicht geschminkt, als litten sie an Scharlach, der General hat eine rote Nase wie ein Clown aus einem absurden Stück von Beckett und die Kostüme (Adriana Braga Peretzki) erinnern teilweise an Brechts „Dreigroschenoper", teilweise an Stücke von Thomas Bernhard. Dostojewskij, so weist die Inszenierung überzeugend nach, war seiner Zeit weit voraus und hat Künstler des 20. Jahrhunderts inspiriert.

In der HamsterradRouletteTretmühle

Volker Hintermeier hat ein riesiges, die Bühne dominierendes Rad entworfen, ein Mittelding zwischen einem Laufrad für Hamster und einer Tretmühle, die überdies an das Roulette erinnert, die Menschen scheinen in ihm gefangen. Das Bühnenbild ist großartig. Aber:

Am Ende entfernt sich die Bearbeitung allzu weit vom Roman, die Dynamik des Anfangs bleibt auf der Strecke. Martin Laberenz' Inszenierung wirkt, als habe er zu wenig Probenzeit gehabt, als sei er nicht ganz fertig geworden bis zur Premiere. Die Stärke der Aufführung liegt bei den Schauspielern, ihren Möglichkeiten zu improvisieren und zu zeigen, was es bedeutet, außer sich zu geraten. Schade, dass es kaum Hinweise auf die Aktualität des Themas gab, den Kasinokapitalismus und das Zockertum, die zur gegenwärtigen Finanzkrise geführt haben.

Ulrich Fischer


Aufführungen am 13., 18. und 25. Jan.; 7., 9., 13., 16. und 25. Feb.
Spieldauer 3 1/2 Std.

Kartentelefon: 0211 36 99 11 - Internet: www.duesseldorfer-schauspielhaus.de

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