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Zinsgutschrift: Pizza für den Finanzminister

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Mein Nachbar ist ein vorsichtiger Mann. Wie es die Banken empfehlen, hat er für Notfälle drei Monatseinkommen zurückgelegt. Für diese 5.123,05 Euro hat er nun die Zinsgutschrift bekommen. Und das waren fürs ganze Jahr 2013 sage und schreibe 11,66 Euro. Dafür bekommt er beim Italiener nebenan gerade eine gut belegte Pizza inklusive Trinkgeld für den Kellner.

Beliebtheit steigt trotz sinkender Zinsen

Dahin hat also die Wirtschaftspolitik der Kanzlerin geführt. Während ihre Beliebtheit im letzten Jahr ständig stieg, gingen die Zinsen meines Nachbarn laufend zurück. Zuerst von 0,45 % auf 0,40 %, dann über 0,30 % auf zuletzt 0,25 %. Nachdem der Finanzminister noch mit 3,96 Euro Kapitalertragsteuer und 0,21 % Solidaritätszuschlag bedient worden waren, verblieben besagte 11,66 Euro.

Jetzt startet mein Nachbar mit 5.134,71 Euro in die nächste Zinsrunde. Die 11,66 Euro Zinsgutschrift will er aber nicht behalten. Er hat von der schwierigen Lage des Bundeshaushaltes gelesen. Deshalb will er die Pizza dem Finanzminister spenden.

Die ganze Buchhaltung kann man sich sparen

Die 5.134,71 Euro will er aber auch nicht bei der Bank lassen, sagt mein Nachbar. Denn nächstes Jahr bekommt er möglicherweise eine auf 10,00 Euro geschrumpfte Zinsgutschrift, weil sich Sparen immer weniger lohnt. Für diese Peanuts will er sich die ganze Buchhaltung sparen. Der Finanzminister soll dann aber auch keine Kapitalertragsteuer mehr bekommen und auch keinen Soli.

Deshalb wollte mein Nachbar die 5.134,71 Euro in seinen Tresor legen. Doch dann ist er unsicher geworden. Denn er hat einen Artikel entdeckt, den dieser Tage ein Professor in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung veröffentlicht hat. Dort plädierte Ulrich van Suntum auf einer ganzen Wirtschaftsseite für einen nationalen Hart-Euro und einen normalen Euro. Der Direktor des Centrums für angewandte Wirtschaftsforschung der Universität Münster setzt sich also für eine Parallelwährung ein.

In London zahlt man bereits mit drei Währungen

Das ist gar nicht so kompliziert, wie es sich anhört, meint der Experte. Denn in Städten wie London wird beispielsweise bereits mit drei Währungen bezahlt, ohne dass es die Betreffenden stört. Mal mit Pfund, mal mit Euro und mal mit Dollar. Ganz so stellt sich das der Professor mit dem Hart-Euro und dem normalem Euro vor.

Denn die Eurozone steckt nach seiner Ansicht in existenziellen Schwierigkeiten. Die Europäische Zentralbank (EZB) würde Länder wie Griechenland und Italien in der Wäh-rungsunion halten, die eigentlich von Anfang an nicht dafür qualifiziert gewesen seien. Nachdem diese früher ihre Verschuldungsprobleme durch Inflationierung und Abwertung der eigenen Währung gelöst hätten, habe diese Rolle inzwischen die EZB für sie übernommen.

Disziplinierungsfunktion ist ausgeschaltet

Doch irgendjemand muss die Kosten für dieses Geschenk ja tragen. Derzeit sind das vor allem die Sparer in den Überschussländern. Wegen der nicht einmal die Inflationsrate deckenden Niedrigzinsen erleiden sie allein in Deutschland reale Vermögensverluste von 14 Mrd. Euro im Jahr.

Ulrich van Suntum beklagt aber auch, dass die Disziplinierungsfunktion des Marktzinses für zu hohe Schulden faktisch ausgeschaltet ist. Denn die Auflagen von ESM und EZB könne man beliebig dehnen bis hin zur Unwirksamkeit. Damit drohe der Euro zu einer Inflations- und Schuldenwährung zu werden.

Die Euro-Falle ist zugeschnappt

Das gefällt Ulrich van Suntum gar nicht. Doch viele Ökonomen haben nach seinen Be-obachtungen bereits resigniert. Sie halten die Euro-Falle für zugeschnappt. Es gibt aber auch Vorschläge, den Euroraum wieder flexibler zu machen. In diesem Zusammenhang werden die Parallelwährungskonzepte diskutiert.

Eine Parallelwährung muss nicht alle Geldfunktionen gleichzeitig erfüllen. Es ist durchaus möglich, dass eine relativ instabile Währung weiter als alleiniges Zahlungsmittel verwendet wird, während langfristige Sparanlagen und Verträge in einer anderen, nur als Buchgeld existierenden Währung getätigt werden.

Ein wertstabiler Hart-Euro

Die Grundidee ist nach Ansicht von Ulrich van Suntum relativ einfach. Sie besteht darin, absolut wertstabile Parallelwährungen (Hart-Euro) als reine Buchwährung zusätzlich zum normalen Euro zu schaffen. Das kann jedes Überschussland autonom tun, indem es seine neue Währung an die nationale Inflationsrate koppelt. Der Umtauschkurs gegenüber dem Euro würde zu Beginn 1:1 betragen, im Zeitverlauf aber mit der jeweiligen Inflationsrate ansteigen.

Da der Euro alleiniges Barzahlungsmittel in allen Ländern der Währungsunion bleibt, würden auch kurzfristige Liquiditätsreserven wie etwa Girokonten weiterhin überwiegend auf Euro lauten. Längerfristige Spareinlagen könnten dagegen überwiegend in nationale Hart-Euro umgetauscht werden, um sich vor Inflation und finanzieller Repression zu schützen.

Sparen soll sich wieder lohnen

Der Hauptvorteil solcher Parallelwährungen ist nach Meinung des Professors, dass die Defizitländer im normalen Euro bleiben und diesen weiter inflationieren können. Mit der Entwertung des Euro verbessert sich zudem ihre Wettbewerbsposition. Zugleich steigt aber der Kurs der nationalen Hart-Euro-Währungen entsprechend, so dass die darin an-gelegten Ersparnisse der Bürger wertstabil bleiben.

Ein nationaler Hart-Euro würde nach Meinung des Experten auch dazu führen, dass die Sparzinsen wieder steigen und sich das Sparen wieder lohnt. Die Bürger der Überschussländer hätten mit dem nationalen Hart-Euro eine wertstabile Geldanlage und mit dem normalen Euro dennoch ein gemeinsames, wenngleich weniger stabiles Zah-lungsmittel.

Wenn der Finanzminister die Euro-Wende einläutet und eine solche Parallelwährung einführt, dann will mein Nachbar seinen Notgroschen wieder zur Bank bringen. Und in Erwartung höherer Sparzinsen würde er dem Finanzminister dann sogar eine Doppelpizza spendieren.


Mehr für Verbraucher und Sparer auf www.finanz-blog-online.de und www.finanz-pressedienst.de

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