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Picknick auf Opas Asche

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Seit rund 80 Jahren herrscht in Deutschland der Friedhofszwang. Das heißt: Sarg und Urne müssen auf einem Friedhof die letzte Ruhe finden. Was wir aus beispielsweise amerikanischen Filmen kennen, dass Oma und Opa in einer schicken Urne auf dem Kaminsims stehen, ist hier undenkbar. Ist es das?

Die Bremische Bürgerschaft denkt sehr wohl darüber nach. Auf Initiative der rot-grünen Regierungskoalition könnte es bald erlaubt sein, die Asche Verstorbener in den eigenen vier Wänden aufzubewahren. Und nicht nur das: sie könnte auch im Privatgarten oder auf öffentlichen Flächen verstreut werden, sofern der Verstorbene zu Lebzeiten eingewilligt hat.

Verletzung der Menschenwürde?

Kritik kommt erwartungsgemäß von der Bremischen Evangelischen Kirche. Sie empfindet das Vorhaben als pietätlos. Die private Urnenaufbewahrung sei zudem eine Verletzung der Menschenwürde. Eine Urne gehöre auf den Friedhof. Nur stellt sich die Frage, ob die Menschenwürde nicht in den eigenen vier Wänden oder im eigenen Garten zuverlässiger geschützt wird, als auf einem öffentlich zugänglichen Friedhof. Nicht selten wird über Vandalismus auf Friedhöfen berichtet.

Verletzung der Persönlichkeitsrechte?

Befürworter der Reform sehen hingegen gerade im Friedhofszwang eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte. Viele Menschen könnten sich mit dem Gedanken, in einer Urne oder einem Sarg zu enden, nicht anfreunden. "Es heißt Asche zu Asche, Staub zu Staub", so Anne Müterich, eine Befürworterin der Reform.

"Wie soll das gehen, wenn meine Asche in einer Urne verschlossen ist? Ich würde gerne in der Natur verstreut werden." Sie verstehe nicht, dass sich der Staat sogar über den letzten Wunsch eines Menschen hinwegsetze.

Weitgefächerte Debatte

Wie so oft geht es nicht nur um rechtliche, sondern auch um ethisch-moralische und religiöse Überlegungen. Wie gehen wir mit unseren Toten um? Könnte das Vertreuen der Asche im Garten oder Park vielleicht dabei helfen, den Tod als Teil des Lebens zu begreifen? Könnte dieser Vorgang bei der Trauerbewältigung behilflich sein?

Manche Menschen sehen es als pietätvoller an, wenn die Urne auf dem Kaminsims - im Kreise der Familie - aufbewahrt oder die Asche im Garten verstreut wird, als wenn die Urne mehrere Kilometer entfernt in einem Schließfach steht.

Im Hinduismus und auch in Russland wird in einer aufwändigen und langen Zeremonie Abschied genommen. Ähnlich war es früher auch bei uns in Deutschland. Im Judentum wie auch im Islam gibt es keine Särge. Die Kulturen sind sehr unterschiedlich. Und doch würde niemand ernsthaft behaupten wollen, dass Russen, Hindus, Juden oder Muslime respektlos mit ihren Verstorbenen umgehen oder weniger trauern würden.

Vielleicht sollten wir weniger an Traditionen festhalten und uns stattdessen mehr damit befassen, was wir selbst fühlen. Was soll einmal mit unseren Überresten geschehen?

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