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Momente der Entscheidung - Ein Interview mit dem Künstler Peter Kalb

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Sensibler zu werden für die Art und Weise, wie hierzulande gerichtet oder mit dem Scheitern umgegangen wird, gehört auch zur „Zukunftskompetenz", die wir mehr denn je brauchen, um Situationspotentiale der Gegenwart auf zukünftige Chancen hin auszuloten. Allzu leichtfertig erfolgt häufig eine Aufteilung in Gewinner und Verlierer. Abstufungen sind in der Inszenierung des öffentlichen Absturzes nicht vorgesehen.

Je rasanter, desto interessanter - und desto intensiver die Häme, wie es auch von Katja Kraus in ihrem Buch „Macht. Geschichten von Erfolg und Scheitern" (2013) beschrieben wurde. Wer sein Gesicht verliert und permanent einer öffentlichen Beurteilung ausgesetzt ist, wird zwangsläufig zum Getriebenen eines Systems, in dem für nachhaltiges und überlegtes Handeln keine Zeit bleibt:

"Wir sind irrsinnig schnell darin geworden zu urteilen, Menschen ihre Kompetenz abzusprechen, ohne darüber nachzudenken, welche Fähigkeiten sie überhaupt erst in die exponierte Position gebracht haben. Die Härte, mit der das geschieht, und die Rücksichtslosigkeit im Umgang mit der persönlichen Integrität sind erschreckend."

Ein Augenblick kann ein Lebenswerk zerstören. Aber er kann auch aufrichten und eine Situation zum Guten wenden: So fiel dem Künstler Peter Kalb auf, „dass es einen kleinen Moment beim Menschen gibt, in dem er über tiefste Verzweiflung oder auch höchstes Glück entscheidet - und das Tag für Tag, Stunde für Stunde. Der Moment, in dem er über etwas richtet, oder es aufrichtet."

Diesen Moment hielt er fest: in einer abstrakten Form mit dem Titel „Wenn Richten, ... dann Aufrichten". Der in Nürnberg lebende Künstler arbeitet nicht nur Archetypen aus der Menschheit und ihrer Geschichte heraus, sondern setzt sie auch in einen zeitgemäßen Kontext.

Sein Kunstprojekt ist global angelegt und besteht aus vielen Einzelteilen. Es folgt einem archetypischen Grundprinzip, das zwar in seinen Geschichten im Detail voneinander abweichen kann, aber in seiner Grundstruktur durch die Skulpturen erhalten bleibt.

„Es handelt sich um einen winzigen Moment der Entscheidung, der seine Spuren in fast allen Lebenslagen hinterlässt: im individuellen sowie im historischen und globalen Zusammenhang. Da archetypische Strukturen im Verborgenen ablaufen - was bei diesem Archetypen fatale Auswirkungen haben kann - ist es sinnvoll und dringlich, diese sichtbar in den Fokus zu rücken und das inmitten unserer Gesellschaft."

Die kleinen Skulpturen zeigen die absolute Abstraktion, den Archetypus und das Gegenständliche der Menschen, das Motiv. Die Skulptur bildet die Komplementäre der beiden und lässt einen unsichtbaren Raum entstehen, der frei interpretierbar ist. Das Kunstprojekt ist zeitlich, in der Anzahl der Skulpturen und Interpretationen aber unbegrenzt.

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„Wenn Richten, . . . dann Aufrichten"
Interview mit dem Künstler Peter Kalb

_ Herr Kalb, haben Sie als Künstler einen anderen Blick auf die Welt? Und was löst er in Ihnen aus?

Ich habe einen anderen Blick in der Weise, dass ich ständig Grundprinzipien unseres Menschseins sehe und diesen durch meine Kunstwerke Ausdruck verleihe. Als ich 2009 zu Gesprächen für eine Großskulptur nach Dresden fuhr, die ich unter dem Titel „Wenn Richten, ... dann Aufrichten" für den Wiederaufbau der Frauenkirche sah, wurde mir bewusst, dass es diese Skulptur nicht nur einmal geben durfte.

Es durfte sie nur einmal geben, da dies so viele positive und negative Beispiele ausblenden würde, die sich auch in unserer Menschheitsgeschichte zugetragen haben, dass es die Skulptur und ihre Aussage auf eine unerträgliche Art begrenzen würde. Deshalb entstand das Konzept für das weltumspannende Kunstprojekt „Wenn Richten, ... dann Aufrichten"

Mit seiner unlimitierten Skulptur, die sowohl die Abstraktion als auch die menschliche Geste zeigt, ist das Werk in der Lage global eine Präsenz für diese Aussage zu schaffen und damit 7.000.000.000 Möglichkeiten in die globale Gemeinschaft einbringt, ein Richten neu zu überdenken. Diese kleine Skulptur hält an jedem Ort und zu jeder Zeit diesen Moment der Entscheidung aufrecht, verleiht ihm ein Bild und stößt ein neues Denken, ein Reflektieren an, das neue Blickwinkel eröffnet.

_ Haben Sie eine Vision?

Gern möchte ich auch Großskulpturen an geschichtsträchtigen Orten schaffen. So schwebt mir eine Skulptur an einer abgeholzten Stelle im Regenwald vor. Eine andere möchte ich ins Asyl stellen, für Tibet. Einige Skulpturen sollen an den Orten des Leidens stehen, als Mahnmal in Konzentrationslagern, aber auch als Denkmal an Orten, wo das Aufrichten ersichtlich wird, wie an der Frauenkirche in Dresden oder in den Slums von Kalkutta, wo Mutter Theresa Unglaubliches geleistet hat.

_ Was ist das Wesen Ihrer Skulptur?

Ein Freund sagte einmal: „Diese Skulptur verschweigt nichts, hat aber eine positive Ausrichtung, die unser zukünftiges soziales Zusammenleben sichern kann". Die Großskulpturen treten durch den Standort, an dem dieses Grundprinzip bereits menschliche Geschichte geschrieben hat, in Kommunikation mit den vielen kleinen Skulpturen und sensibilisieren die globale Gemeinschaft für die Aussage: „Wenn Richten, . . . dann Aufrichten"!

Seit Jahrtausenden entscheidet sich der Mensch immer wieder zwischen Richten und Aufrichten. Die Skulptur gibt diesem Grundprinzip ein Bild, verdeutlicht die Konsequenzen dieser Entscheidung, regt an, sich damit auseinanderzusetzen, einen neuen Umgang damit zu finden und wirkt als Kulturgut nachhaltig in die Zukunft hinein.

Multikulturell, religionsübergreifend, regierungsunabhängig. Es entsteht ein globales Kunstwerk, das in seiner Gesamtheit nie in einem Museum ausgestellt werden kann, weil es nicht neben der Gesellschaft existiert, sondern durch sie aktiv ist.

_ Doch haben Sie die Skulptur in die Hände der Gesellschaft gelegt...

Ja, denn sie entscheidet und damit jeder einzelne von uns ... Jetzt braucht es nur noch das große Netzwerk, das dieses Projekt in die Öffentlichkeit trägt, damit die Skulpturen ihre Aussage wieder und wieder zu den Menschen bringen können: „Wenn Richten, ... dann Aufrichten".

_ Wie ist der aktuelle Stand des Kunstprojekts?


Schon bei den 52 kleinen Skulpturen, die eine Höhe 50 cm haben und überall in der Welt zu finden sind, zeigt sich die Internationalität des Projektes. Zwei Skulpturen davon gingen in die USA, drei nach Spanien, jeweils eine nach Schweden und in die Schweiz sowie eine nach Nairobi/Afrika. Uns werden Fotos und Filme aus Australien, Afrika, USA und aus vielen europäischen Städten zugesandt.

Aber auch Interpretationen von bislang 30 Künstlern aus Marrokko, Kenia, Indonesien, Niederlande, Schweiz und Deutschland. 63 internationale Statements aus den unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten wurden zu "Wenn Richten, ... dann Aufrichten" bisher abgegeben, aber auch Musikstücke komponiert.

Zudem treffen Anfragen ein von Ballettchoreographen, um diese Aussage auf die Bühne zu bringen. Aus dem literarischen Bereich erreichten uns Kurzgeschichten und Gedichte. Selbst der eine oder andere Kurzfilm bereits gedreht worden ist, kommen immer wieder neue Sichtweisen und Interpretationen hinzu.

_ Welche Projekte und Initiativen haben Sie mit Ihren Skulpturen konkret unterstützt?

Mit einer Spendenskulptur wurde einem ehemaligen KZ-Insassen, der in seiner Heimat Serbien in einem Altersheim leben musste, ein Aufenthalt in Hersbruck bei Nürnberg finanziert, den er sich gewünscht hatte. Und mit einer weiteren konnte einer behinderten Frau in Wiesbaden das Leben erleichtert werden. Dem Verein HORIZONT e.V. von Jutta Speidel, die obdachlose Mütter und Kinder in München unterstützt, wurde mit dem Verkauf von Kunstkarten aus dem Projekt geholfen.

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Die Skulpturen des Künstlers stehen auch für das Gefühl der Erbauung, bei dem einem symbolisch ein Gewicht von den Schultern fällt. Peter H. Kalb, Jahrgang 1961, arbeitet seit 1987 als freier Künstler. Sein Werk befasst sich mit menschlichen Strukturen und Grundprinzipien, die maßgeblichen Einfluss auf unsere Lebensgestaltung haben.

1990 errichtete er die Großskulptur „9.NOV.1989", aus der Serie „von Grenzen befreien" zum Fall der innerdeutschen Mauer in Hof - Saale, an einem der Originalschauplätze. 1992 folgte die Großskulptur „Mensch-ICE" aus der Serie „Miteinander", in Kassel-Wilhelmshöhe, zur Einführung des Superzuges ICE auf den deutschen Schienennetzen.

In den nächsten Jahren entstand das Buch zu dem 200 Meter hohen Bauwerk „Schritt nach vorn", dass sich autark mit erneuerbaren Energien versorgen soll. 2009 entwickelte er das Konzept für das weltumspannende Kunstprojekt „Wenn Richten, ... dann Aufrichten", das mit seiner unlimitierten Skulptur eine globale Präsenz für diese Aussage schaffen soll - ein World-Statement.

Für sein Werk und dieses Kunstprojekt wurde er 2010 mit dem International Award „Best artist 2010" in Berlin ausgezeichnet. Jährlich stellt er seine Skulptur bei den Burgthanner Dialogen aus und unterstützt ausgewählte soziale Projekte der Ehrengäste.

Weiterführende Informationen:
Kalb Archetypen
World Type
Burgthanner Dialoge

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