Heute ist der letzte offizielle Sommertag. Ab morgen ist Herbst. Das ist so. Unumstößlich. Da hilft auch kein Jammern.
Ich möchte diesen Tag zum Anlass nehmen, eine kleine Geschichte zu erzählen. Es geht darin um gefühlte sowie echte Jahreszeiten, strapazierte Nerven und um eines Menschen Recht auf Lebkuchen.
Unlängst war ich nachmittags im Supermarkt. Draußen regnete es leicht und hatte vielleicht siebzehn Grad. Ich wollte nicht viel kaufen. Ein paar Äpfel, Kartoffeln und Joghurt. Vielleicht noch Milch, wenn ich schon mal so wenig andere Sachen zu schleppen hatte. Mehr nicht.
Obwohl ich genau wusste, was in meinem Einkaufswagen landen würde, nahm ich mir die Zeit, ein bisschen durch die Gänge zu schlendern. Der Tag war bisher eher stressig und nervenaufreibend gewesen. Ich wollte ihn ein wenig entschleunigen. Es waren kaum Kunden im Geschäft. So mag ich Supermärkte am allerliebsten.
Ich kam nicht umhin, das Gespräch zweier Frauen, geschätzt Mitte Dreißig, mitzuhören, die auch reichlich gemütlich durch den Edeka streiften und ratschten. Natürlich beschwerten sie sich - wie sollte es anders sein - über das Wetter. Zu kalt, zu nass zu grau.
Es sei so schrecklich kalt. Dabei sei ja eigentlich noch Sommer. Also wenn man das so nennen könnte, denn dieser Sommer war ja auch gar kein richtiger Sommer. Schließlich habe es ja immer nur geregnet. Und ihre leichten Sommerkleidchen konnten sie auch gar nicht ausführen. Da waren sie sich sehr einig.
„Du, ich habe vielleicht ein oder zweimal ein Trägerhemdchen angehabt. Sonst immer mit Ärmeln." Die andere nickte eifrig mit in Sorgenfalten gelegter Stirn. „Ja, du. Ich auch. Das war mir einfach immer zu kühl."
Tatsächlich trugen beide Jeans, Stiefel, Schal und gefütterte Jacke. Eine davon sogar mit (falschem) Pelzkragen. Man muss sich vor Münchens polarem Spätsommer ja auch ausreichend schützen.
Sonnenbrillen hatten sie natürlich trotzdem im Haar. Man weiß ja nie, ob da nicht noch ein paar Sonnenstrahlen rauskommen und man will ja keine Krähenfüße riskieren.
Mir stellten sich beim Anblick dieser wandelnden Übertreibung die Nackenhaare auf.
Schon hinter der ersten Kurve strahlten mir in den Gängen Sonderangebote für Lebkuchen, Spekulatius und Plätzchen entgegen. Für einen kurzen Moment huschte mir ein Lächeln übers sonst so müde und entnervte Gesicht. Denn ich mag Plätzchen und Lebkuchen und Glühwein und all diese Sachen. Zimt, Orangenschale, Vanille: Herrlich.
Viele Menschen sind bekanntermaßen der Meinung, dass es diese Produkte ausschließlich vom 1. bis 27. Dezember geben sollte. Aber das ist eben deren Meinung. Nicht meine. Ich griff beherzt zu einer Packung Lebkuchen und platzierte sie sanft im Einkaufswagen.
„Oh Gott, wie kann man nur!" hörte ich eine der beiden Frauen rufen und aus dem Augenwinkel sah ich, dass sie auf meinen Wagen zeigte. „Ich meine, hallo? Es ist Anfang September! Und die machen hier schon auf Weihnachten. Das ist doch krank!"
Leider war mein vorangegangener Arbeitstag nicht unbedingt der Entspannteste und daher war auch ich nicht unbedingt die Entspannteste und so kam es, dass ich mich persönlich angegriffen fühlte und den beiden Frostbeulen und ihrer typischen Jammerhaltung ein paar meiner Gedanken mit auf den Weg geben musste.
Als ich mich zu den beiden Damen, die nun mit ertapptem Blick rot anliefen, drehte und „Kümmere dich gefälligst um deinen eigenen verfrorenen Scheiß" brüllen wollte, merkte die mit dem Pelzkragen, dass ihre Bemerkung ein bisschen blöd war. „Also nicht Sie. Ich meine nur..."stotterte sie verlegen lächelnd. Aber dafür war es zu spät.
„WAS meinen Sie?" blaffte ich die beiden an. „Glauben Sie wirklich, dass ausgerechnet SIE mit Ihrem Ski-Urlaubs-Outfit irgendein Recht haben, MEINE Lebkuchen zu kritisieren?" Große Augen. Keine Antwort.
„Was bilden Sie sich überhaupt ein? Erst hier einen auf sibirischer Schneetiger machen und dann von Sommer reden," pöbelte ich weiter. „SIE und ihre total saisonalen September-Erdbeeren und Grapefruit haben ja wohl mal ganz still zu sein."
„Ich habe die Schnauze so voll von Menschen wie Ihnen, die immer nur über den banalsten Mist jammern müssen, den sie irgendwo aufschnappen, weil sie zu faul sind, mal kurz über das nachzudenken, was sie da eigentlich von sich geben. Können Sie sich nicht einfach mal mit dem zufrieden geben, was die Welt Ihnen bietet? Das ist doch echt zum Kotzen, sowas!"
Stille. Vollkommen entsetzt starrten mich die beiden Frauen an. Auch alle anderen Kunden in Sichtweite waren stehengeblieben und schauten beunruhigt in meine Richtung.
Aber ein schlechtes Gewissen wollte ich mir nicht machen lassen. Ich stand zu meinen Worten. Ich war ja auch im Recht. Wenn auch etwas zu forsch. „Ne, das musste mal gesagt werden. Ich muss mir hier auch nicht jeden Scheiß anhören", sagte ich in normaler Tonlage und machte mich auf den Weg in Richtung Kasse.
„Krass. Was hat die denn für Probleme?" hörte ich die eine noch sagen und dachte mir: So einige. Aber Lebkuchen im September sind keins davon...
Natürlich galt mein kleiner Ausraster nicht nur diesen zwei Frauen und ihrem Kommentar zu meinen Lebkuchen. Sie waren nur zur falschen Zeit am falschen Ort ein bisschen zu falsch eingestellt. Und irgendwie tut es mir ja auch Leid...
Ich konnte anschließend selbst kaum glauben, dass ich zwei wildfremde Frauen angebrüllt hatte. Sie verkörperten in diesem Moment, in dem es mit meiner Geduld und Ausgeglichenheit leider zu Ende war, eine negative ablehnende Einstellung, die ich einfach nicht verstehen kann.
Ich persönlich mag keine Feigen. Und das nicht nur saisonal, sondern 365 Tage im Jahr. Trotzdem bezeichne ich Menschen, die Feigen kaufen, nicht als „krank". Ich motze auch nicht rum, dass es sie gibt. Ich weiß, dass viele Menschen Feigen mögen. Und das gönne ich ihnen von Herzen.
Es gibt keine Moral von der Geschichte, die Ihnen bei der Erziehung Ihrer Kinder hilft oder Sie zu einem besseren Menschen macht. Generell sollten Sie vielleicht lieber keine fremden Menschen im Supermarkt anschreien.
Trotzdem würde ich Sie gerne dazu auffordern, sich nicht über derart unwichtige Dinge wie Lebkuchen im September zu beschweren. Es gibt genug Dinge, über die Sie sich berechtigterweise beschweren können. Das Sortiment im Supermarkt und das Wetter gehören in meinen Augen nicht dazu.
Und jetzt mal im Ernst: Es beschwert sich doch auch keiner, dass es das ganze Jahr lang Bananen, Äpfel, Tomaten und - Achtung - FRÜHLINGSzwiebeln im Supermarkt zu kaufen gibt.
Mein Motto ist jedenfalls: Wenn das Leben dir Lebkuchen gibt, frag nach Glühwein mit Schuss.
Ich möchte diesen Tag zum Anlass nehmen, eine kleine Geschichte zu erzählen. Es geht darin um gefühlte sowie echte Jahreszeiten, strapazierte Nerven und um eines Menschen Recht auf Lebkuchen.
Unlängst war ich nachmittags im Supermarkt. Draußen regnete es leicht und hatte vielleicht siebzehn Grad. Ich wollte nicht viel kaufen. Ein paar Äpfel, Kartoffeln und Joghurt. Vielleicht noch Milch, wenn ich schon mal so wenig andere Sachen zu schleppen hatte. Mehr nicht.
Obwohl ich genau wusste, was in meinem Einkaufswagen landen würde, nahm ich mir die Zeit, ein bisschen durch die Gänge zu schlendern. Der Tag war bisher eher stressig und nervenaufreibend gewesen. Ich wollte ihn ein wenig entschleunigen. Es waren kaum Kunden im Geschäft. So mag ich Supermärkte am allerliebsten.
Ich kam nicht umhin, das Gespräch zweier Frauen, geschätzt Mitte Dreißig, mitzuhören, die auch reichlich gemütlich durch den Edeka streiften und ratschten. Natürlich beschwerten sie sich - wie sollte es anders sein - über das Wetter. Zu kalt, zu nass zu grau.
Es sei so schrecklich kalt. Dabei sei ja eigentlich noch Sommer. Also wenn man das so nennen könnte, denn dieser Sommer war ja auch gar kein richtiger Sommer. Schließlich habe es ja immer nur geregnet. Und ihre leichten Sommerkleidchen konnten sie auch gar nicht ausführen. Da waren sie sich sehr einig.
„Du, ich habe vielleicht ein oder zweimal ein Trägerhemdchen angehabt. Sonst immer mit Ärmeln." Die andere nickte eifrig mit in Sorgenfalten gelegter Stirn. „Ja, du. Ich auch. Das war mir einfach immer zu kühl."
Tatsächlich trugen beide Jeans, Stiefel, Schal und gefütterte Jacke. Eine davon sogar mit (falschem) Pelzkragen. Man muss sich vor Münchens polarem Spätsommer ja auch ausreichend schützen.
Sonnenbrillen hatten sie natürlich trotzdem im Haar. Man weiß ja nie, ob da nicht noch ein paar Sonnenstrahlen rauskommen und man will ja keine Krähenfüße riskieren.
Mir stellten sich beim Anblick dieser wandelnden Übertreibung die Nackenhaare auf.
Schon hinter der ersten Kurve strahlten mir in den Gängen Sonderangebote für Lebkuchen, Spekulatius und Plätzchen entgegen. Für einen kurzen Moment huschte mir ein Lächeln übers sonst so müde und entnervte Gesicht. Denn ich mag Plätzchen und Lebkuchen und Glühwein und all diese Sachen. Zimt, Orangenschale, Vanille: Herrlich.
Viele Menschen sind bekanntermaßen der Meinung, dass es diese Produkte ausschließlich vom 1. bis 27. Dezember geben sollte. Aber das ist eben deren Meinung. Nicht meine. Ich griff beherzt zu einer Packung Lebkuchen und platzierte sie sanft im Einkaufswagen.
„Oh Gott, wie kann man nur!" hörte ich eine der beiden Frauen rufen und aus dem Augenwinkel sah ich, dass sie auf meinen Wagen zeigte. „Ich meine, hallo? Es ist Anfang September! Und die machen hier schon auf Weihnachten. Das ist doch krank!"
Leider war mein vorangegangener Arbeitstag nicht unbedingt der Entspannteste und daher war auch ich nicht unbedingt die Entspannteste und so kam es, dass ich mich persönlich angegriffen fühlte und den beiden Frostbeulen und ihrer typischen Jammerhaltung ein paar meiner Gedanken mit auf den Weg geben musste.
Als ich mich zu den beiden Damen, die nun mit ertapptem Blick rot anliefen, drehte und „Kümmere dich gefälligst um deinen eigenen verfrorenen Scheiß" brüllen wollte, merkte die mit dem Pelzkragen, dass ihre Bemerkung ein bisschen blöd war. „Also nicht Sie. Ich meine nur..."stotterte sie verlegen lächelnd. Aber dafür war es zu spät.
„WAS meinen Sie?" blaffte ich die beiden an. „Glauben Sie wirklich, dass ausgerechnet SIE mit Ihrem Ski-Urlaubs-Outfit irgendein Recht haben, MEINE Lebkuchen zu kritisieren?" Große Augen. Keine Antwort.
„Was bilden Sie sich überhaupt ein? Erst hier einen auf sibirischer Schneetiger machen und dann von Sommer reden," pöbelte ich weiter. „SIE und ihre total saisonalen September-Erdbeeren und Grapefruit haben ja wohl mal ganz still zu sein."
„Ich habe die Schnauze so voll von Menschen wie Ihnen, die immer nur über den banalsten Mist jammern müssen, den sie irgendwo aufschnappen, weil sie zu faul sind, mal kurz über das nachzudenken, was sie da eigentlich von sich geben. Können Sie sich nicht einfach mal mit dem zufrieden geben, was die Welt Ihnen bietet? Das ist doch echt zum Kotzen, sowas!"
Stille. Vollkommen entsetzt starrten mich die beiden Frauen an. Auch alle anderen Kunden in Sichtweite waren stehengeblieben und schauten beunruhigt in meine Richtung.
Aber ein schlechtes Gewissen wollte ich mir nicht machen lassen. Ich stand zu meinen Worten. Ich war ja auch im Recht. Wenn auch etwas zu forsch. „Ne, das musste mal gesagt werden. Ich muss mir hier auch nicht jeden Scheiß anhören", sagte ich in normaler Tonlage und machte mich auf den Weg in Richtung Kasse.
„Krass. Was hat die denn für Probleme?" hörte ich die eine noch sagen und dachte mir: So einige. Aber Lebkuchen im September sind keins davon...
Natürlich galt mein kleiner Ausraster nicht nur diesen zwei Frauen und ihrem Kommentar zu meinen Lebkuchen. Sie waren nur zur falschen Zeit am falschen Ort ein bisschen zu falsch eingestellt. Und irgendwie tut es mir ja auch Leid...
Ich konnte anschließend selbst kaum glauben, dass ich zwei wildfremde Frauen angebrüllt hatte. Sie verkörperten in diesem Moment, in dem es mit meiner Geduld und Ausgeglichenheit leider zu Ende war, eine negative ablehnende Einstellung, die ich einfach nicht verstehen kann.
Ich persönlich mag keine Feigen. Und das nicht nur saisonal, sondern 365 Tage im Jahr. Trotzdem bezeichne ich Menschen, die Feigen kaufen, nicht als „krank". Ich motze auch nicht rum, dass es sie gibt. Ich weiß, dass viele Menschen Feigen mögen. Und das gönne ich ihnen von Herzen.
Es gibt keine Moral von der Geschichte, die Ihnen bei der Erziehung Ihrer Kinder hilft oder Sie zu einem besseren Menschen macht. Generell sollten Sie vielleicht lieber keine fremden Menschen im Supermarkt anschreien.
Trotzdem würde ich Sie gerne dazu auffordern, sich nicht über derart unwichtige Dinge wie Lebkuchen im September zu beschweren. Es gibt genug Dinge, über die Sie sich berechtigterweise beschweren können. Das Sortiment im Supermarkt und das Wetter gehören in meinen Augen nicht dazu.
Und jetzt mal im Ernst: Es beschwert sich doch auch keiner, dass es das ganze Jahr lang Bananen, Äpfel, Tomaten und - Achtung - FRÜHLINGSzwiebeln im Supermarkt zu kaufen gibt.
Mein Motto ist jedenfalls: Wenn das Leben dir Lebkuchen gibt, frag nach Glühwein mit Schuss.