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ISIS entkernen

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Am Wochenende hielt ich einen kleinen Apfel aus meinem Garten in den Händen. Als ich das Obst von seinem Kerngehäuse befreite, erinnerte ich mich an die Rede unseres Außenministers vergangene Woche im Bundestag. Als zweiten Punkt einer politischen Strategie zur Lage im Irak und in Syrien nannte Frank-Walter Steinmeier, ohne es weiter auszuführen, eben dies: „die ISIS entkernen!"

Gut, dass er den Begriff ISIS gebraucht, ich nenne sie ISIS-Terrormiliz. Der von ihnen selbst gewählte Begriff „Islamischer Staat" entspricht nicht meiner - naturgemäß politikwissenschaftlichen - Vorstellung von Staat. Auch Diplomatie, Rechtsstaatlichkeit (also keine Scharia) und Gewaltmonopol (nicht Gewalt als einziges Mittel) sind Kategorien, die ich mit und bei dem Begriff „Staat" verorte.

Humanitäre Hilfslieferungen waren der erste, unterstützende militärische Ausrüstungsgüter der zweite notwendige Schritt. Aber das allein wird nicht reichen, um der ISIS-Terrormiliz Einhalt zu gebieten. Wie „entkernen" wir ISIS?

Zunächst schien es weitestgehend Konsens zu sein, auf Bodentruppen verzichten und die „Arbeit" aus der Luft tätigen zu wollen. Dies klingt erst einmal fortschrittlich, ist jedoch vollkommen unrealistisch. Daher verwundern mich die jüngsten Äußerungen von Chuck Hagel und Martin Dempsey keinesfalls.

Denn: Mir ist weder vom Hören noch vom Lesen eine einzige Operation gegen vergleichbare Gegner bekannt, in der man nicht letztendlich Bodentruppen eingesetzt hätte. Auch wenn man mitunter gerne behauptet, Spezialkräfte seien keine Bodentruppen: Sie sind es! Und sie werden bereits laufend verstärkt in die Region verlegt. Also lasst uns doch die Dinge beim Namen nennen!

In meinen Augen hat es sich bei internationalen Konflikten bewährt, einige Kernfragen zu stellen. Dies hatte ich in meinem Redebeitrag zur Verlängerung des Kosovo-Mandats angeregt und ich halte mich auch in diesem Fall daran: Was ist eigentlich unser nationales Interesse? Welchen beabsichtigten Zielzustand legen wir zugrunde? Was wollen wir mit dem Einsatz wirklich erreichen? Wann beenden wir den Einsatz?

Als Handelsnation ist es unser permanentes Streben, freie Handels-, Kommunikations- und Energieströme zu nutzen und möglichst mit allen Völkern friedlich zusammen zu leben und zu arbeiten.

Hier haben wir als Handelsgroßmacht ohne jegliche Hegemonialambitionen große Vorteile im Bereich der Glaubwürdigkeit. Für den Aktionsraum der ISIS-Terrormiliz gelten diese Kriterien nicht. Genaugenommen seit dem Ende des Ersten Weltkrieges nicht mehr. Nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches war ein friedliches Zusammenleben in der gesamten Region nicht mehr möglich.

Unser klar erklärtes Ziel im Moment ist deshalb zunächst zu verhindern, dass ein äußerst brutales, menschlichkeitsverachtendes und steinzeitlich-rohes Kalifat errichtet wird. Auch müssen wir die Versuche abwehren, die Heimat der Gegner dieses Ansinnens mit Terror zu überziehen.

Erst wenn diese Bedrohung beendet ist, können friedliche Schritte unternommen werden, um die Region in den kommenden Jahrzehnten politisch zu befrieden.

Wenn ich aus der Befassung mit den vergangenen Krisen und Kriegen aber etwas deutlich erkannt habe, dann ist es, dass frühzeitiges und entschlossenes Handeln viele Mühen zu einem späteren Zeitpunkt ersparen kann.

Der zu lange umsichtige Umgang mit Despoten und Schlächtern, sowie leere Drohungen haben oftmals dem Ansehen der Internationalen Gemeinschaft eher geschadet und das Leid der Zivilbevölkerung vor Ort unnötig verlängert.

So wie auf dem Balkan (Krnojelac, Kovac und Janjic) und in Afghanistan (Razeq, Rahman), sollten wir unsere Spezialkräfte und Dienste zusammen mit denen unserer Verbündeten einsetzen, um die Schlächter der ISIS-Terrormiliz, die mit ihren schwersten Verbrechen inzwischen die Internationale Gemeinschaft als Ganzes betreffen, zu suchen, zu finden und vor den Internationalen Strafgerichtshof zu bringen.

Wie schon bei den Schlächtern des Balkans, soll ihr Handeln rechtsstaatlich aufgearbeitet und für die Öffentlichkeit aber auch für deren Mitstreiter nachvollziehbar entzaubert werden.

Wer glaubt, in Europa seien wir weit entfernt von den Gräueltaten der ISIS-Terrormiliz, der irrt. EU-Staatsbürger wurden durch eben solche vor laufender Kamera im Namen Allahs enthauptet. Schon morgen könnten auch wir, sei es im Nahen Osten oder hier in Deutschland, davon betroffen sein.

Insofern spricht viel für ein Entkernen der ISIS-Terrormiliz!

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