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Schäubles heimlicher Diebstahl

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Viele in meiner Partei, der FDP, meinen, das Steuerthema sei verbrannt. Das Gegenteil ist richtig. Kein anderes gesellschaftliches Thema entscheidet mehr über die Frage, wie gerecht es in diesem Land zugeht. Denn das, was im Einkommensteuerrecht in Deutschland gemacht wird, ist nichts anderes als heimlicher Diebstahl. Sie werden vielleicht sagen: Ooooh, das ist ein sehr hartes Urteil. Aber mit allem Ernst: es ist doch eine Unverfrorenheit sondergleichen, dass der Staat in Steuereinnahmen schwimmt, dabei immer neue Rekordwerte erreicht und die Regierung so tut, als wäre es ihr Verdienst. Doch im doppelten Sinn ist es IHR Verdienst. Sie haben dafür gearbeitet und es ist Ihre persönliche Leistung, nicht die von Frau Merkel oder von Herrn Schäuble.

Die Regierung kommt nicht einmal auf die Idee, die sogenannte kalte Progression abzuschaffen. Denn mit jeder tariflichen Gehaltserhöhung rutscht der Steuerbürger in eine höhere Steuerstufe. Wer mehr verdient, zahlt deshalb nicht nur absolut mehr Steuern, sondern auch prozentual.
Der Finanzwissenschaftler Manfred Rose von der Universität Heidelberg hat die Wirkung der kalten Progression berechnet. Die Zahlen treiben einem die Zornesröte ins Gesicht. Jemand mit 20 000 Euro zu versteuerndem Einkommen zahlt 294 Euro (+ 10,9 Prozent) mehr Steuern als 2004. Jemand mit 50 000 Euro zu versteuerndem Einkommen zahlt 1013 Euro (+ 7,5 Prozent) mehr Steuern und bei 70 000 Euro zu versteuerndem Einkommen sogar 1285 Euro (+ 5,6 Prozent) mehr als vor zehn Jahren. Es geht auch anders. Die Schweiz und Kanada kennen einen Einkommensteuertarif der sich automatisch der Inflationsentwicklung anpasst. Selbst das staatsgläubige Frankreich passt den Tarif regelmäßig an.

Viel schlimmer wird es aber, wenn Sie Geld zurücklegen und sparen. Der Liberale John Stuart Mill hat bereits im 18. Jahrhundert das bis heute etablierte Steuersystem kritisiert:

„Denn was gespart und fest angelegt wird, zahlt künftig Einkommensteuer von den Zinsen oder Gewinnen, die es bringt, trotzdem dass es bereits als Kapital besteuert worden ist. Wenn daher Ersparnisse von der Einkommensteuer nicht ausgenommen werden, werden die Steuerzahler von dem, was sie sparen, doppelt, und dagegen nur einmal von dem was sie ausgeben, besteuert. Der so zum Nachteile der Vorsorglichkeit und der Wirtschaftlichkeit geschaffene Unterschied ist nicht nur unpolitisch, sondern auch ungerecht."


Was Mill hier kritisiert, ist das Jährlichkeitsprinzip des Steuerrechts. Der Steuerbürger lebt immer nur vom 1. Januar bis zum 31. Dezember eines Jahres. Danach beginnt sein Leben neu, unabhängig davon, ob er sein Einkommen ausgibt, also konsumiert, oder ob er den Konsum in die Zukunft verschiebt, also spart. Das kennen wir zeitlebens nicht anders. Aber es ist dennoch falsch, weil es ungerecht ist.

Besonders deutlich wird dieser Sachverhalt bei langfristigen Sparvorgängen. Ein Beispiel: Wer heute ein zu versteuerndes Einkommen von 40 000 Euro im Jahr hat und einmalig 1000 Euro zur Seite legt, hat diesen Betrag bereits mit seiner Lohnsteuer von 25 Prozent versteuert. Hätte er es nicht versteuern müssen, dann könnte er 1333 Euro anlegen. Unterstellt er legt diese 1333 Euro in langlaufende Staatsanleihen an, dann kann er aktuell eine Verzinsung von drei Prozent pro Jahr erwarten.

In einer Welt ohne Steuern könnte er zu Beginn seines Lebensabends 4349 Euro erwarten. Investiert er aus versteuertem Einkommen 1000 Euro (1333 Euro - 25 Prozent) und seine jährlichen Zinserträge von drei Prozent werden mit der Kapitalertragsteuer von 25 Prozent pro Jahr (3 - 25 Prozent = 2,25 Prozent) besteuert, dann hat er in 40 Jahren lediglich 2435 Euro angespart. Die Differenz von 1914 Euro sind seine gezahlten Steuern über 40 Jahre. Das entspricht einer steuerlichen Belastung von 44 Prozent.

Der Staat stellt Ihnen die Frage: 25 Prozent Steuern heute oder 44 Prozent morgen. Da ist für viele die Entscheidung schnell gefallen. Die Gerechtigkeitsdebatte in Deutschland fängt beim Steuerrecht an. Wer das bezweifelt, leistet Beihilfe zum heimlichen Diebstahl.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der Fuldaer Zeitung



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