Das Gezänk geht weiter. Offenbar gibt es noch immer eine Sehnsucht nach klarer Abgrenzung zwischen Bloggern und Journalisten.
Wenn es doch nur so einfach wäre wie beim Bandscheibenvorfall. Klare Sache, da muss ein Arzt ran. Als Laie hat man ja keine Ahnung, weil man es nicht studiert hat. Und wer kein Elektriker ist, lässt die Finger von Dingen, die mit Strom zu tun haben. Ärzte und Handwerker sind kraft Studiums oder Lehre kompetent. Zumindest auf dem Papier. Aber wie ist es mit der heiligen Kuh Journalismus?
Wer darf Journalismus? Seit gefühlten 140 Jahren tobt der Kampf, dieser Kampf Blogger vs. Journalisten. Erst neulich ist der Streit wieder aufgeflammt, als der Bundestag einigen Bloggern die Akkreditierung verweigerte. So allmählich nervt die Debatte. Bitte hört auf damit! Denn eine Antwort ist schwierig, wenn noch nicht mal klar ist, wo eigentlich das Problem liegt.
Während die Zahl der klassischen, also der ausgebildeten, also der richtigen Journalisten weiter abnimmt - Verlage und Sender sparen sich in gefährliche Untiefen -, schießen immer mehr Blogs aus dem Boden. Sie tun das, was den eben erwähnten "offiziellen" Journalisten richtig weh tut. Sie konfrontierten sie mit interessanten, sauber recherchierten, exklusiven Storys. Es geht um die Ehre. Und sie erhöhen den Druck auf Behörden und Unternehmen, sich nicht mehr nur gegenüber den beauftragten Fragestellern zu erklären, sondern gegenüber einer noch breiteren Öffentlichkeit. Das kann eigentlich nur gut sein.
"Journalismus ist nicht nur Beruf, sondern Berufung", diesen Spruch hab ich erst kürzlich von einem Journalisten gehört, Nachwuchsjournalist wohlgemerkt, jung und voller Elan. Schön, diese Leidenschaft. Unschön, dass er dann gleich noch die Feststellung nachschoss, dass Blogger ja keine Journalisten seien, weil es a) fast nie ihr Beruf ist und b) von journalistischer Qualität ja meist nicht die Rede sein könne. Für ihn ist Journalist nur, wer in den Medien arbeitet. Dort, wo auf Papier gedruckt wird oder Empfangsgeräte notwendig sind. Dort, wo ein Studium oder Volontariat Einstellungsvoraussetzung ist.
Warum ist diese Abgrenzung vielen - nicht nur Journalisten - noch immer so wichtig? Man könnte etwas Grundsätzlicheres beklagen: Journalist kann sich nennen, wer irgendwo irgendwas veröffentlicht. Dazu braucht man noch nicht mal ein regelmäßig beschriebenes Blog. Ein Volontariat ist nicht mehr als ein langes Praktikum, so sieht es der Staat. Und wer Journalistik studiert, kann auch gleich Philosophie studieren. Es sagt nichts darüber aus, ob man ein guter Journalist ist oder nicht.
Trotzdem glauben viele Journalisten, viele Pressestellen und viele Gelehrte, die sich irgendwie mit Medien beschäftigen, dass nur Journalist ist, wer das gelernt hat oder in den Medien arbeitet. Und gleichzeitig, dass Blogger keine Journalisten sein können, sondern Menschen, die das Internet mit allem möglichen vollschreiben. Dabei landen selbst Blogs, hört hört!, immer wieder Scoops und setzen Themen, was dann wiederum dankend von den etablierten Medien aufgenommen wird. Irgendwie schizophren, dieses Verhältnis.
Sicher: Nicht jeder der unzähligen Blogger in Deutschland - die Schätzungen reichen von 300.000 bis 1,5 Millionen - bloggen aus journalistischem Antrieb oder mit journalistischem Anspruch. Das tun Promi-, Lifestyle- und Frauenmagazine aber überwiegend auch nicht, wenn man die journalistischen Tugenden zugrunde legt. Die Debatte Blogger vs. Journalisten geht das Thema von der falschen Seiten an. Was zählt, ist der Output, nicht die Plattform. Vergesst alles andere.
Beide Seiten - Blogger und Journalisten - können den gleichen Background haben, ähnlich erfahren sein und ähnlich arbeiten. Nur das Ergebnis, die Story, unterscheidet sich. Der Journalist berichtet eher sachlich-objektiv, der Blogger aus der Ich-Perspektive und mit reichlich Meinung versehen. Er ist im Zweifelsfall authentischer.
Blogs sind eine offene Form von Journalismus. Sie haben den Zugang zu Journalismus erweitert. Nicht mehr Ausbildung, Karriere oder Ruf zählen, sondern Neugier, Selbstbewusstsein und Talent. Die Bezahlung sind Klicks, nicht Zeilenhonorare. Ein Blogger muss nicht das sein, was viele als Journalist ansehen - und nur das -, wenngleich ein Mindestmaß an journalistischem Handwerk natürlich dazugehört. Am Ende ist Journalist, wer journalistisch korrekt arbeitet.
Blogger können - und das mag viele Verteidiger journalistischer Tugenden verstören - sogar journalistischer sein als die, die bei der guten alten Presse arbeiten. Sie sind im Prinzip unabhängiger. Ihnen sitzen in aller Regel weder Verleger noch Werbepartner im Nacken. Und ohne themenzerredende, zeitintensive Redaktionskonferenzen läuft es oft auch runder. Blogger sind in Auswahl, Aspekten und Gewichtung ihrer Themen frei, sie bestimmen autark. Als klassischer Journalist könnte man neidisch werden.
Die Grenzen lösen sich ohnehin immer mehr auf. Viele Journalisten bloggen, viele Blogger schreiben mittlerweile für etablierte Medien, immer mehr Medien verlinken auf Blogs und Twitter - Quellen, die immer wichtiger werden. Man befruchtet sich schon längst gegenseitig, obwohl man immer noch in Schubladen denkt. Wenn die Dauerdebatte etwas Gutes hat, dann die Chance, dass alle Seiten voneinander lernen. Dafür müssten viele Journalisten und Berufskommunikatoren aber erst von ihrem hohen Ross steigen.
Crosspost von heutigentags.
Wenn es doch nur so einfach wäre wie beim Bandscheibenvorfall. Klare Sache, da muss ein Arzt ran. Als Laie hat man ja keine Ahnung, weil man es nicht studiert hat. Und wer kein Elektriker ist, lässt die Finger von Dingen, die mit Strom zu tun haben. Ärzte und Handwerker sind kraft Studiums oder Lehre kompetent. Zumindest auf dem Papier. Aber wie ist es mit der heiligen Kuh Journalismus?
Wer darf Journalismus? Seit gefühlten 140 Jahren tobt der Kampf, dieser Kampf Blogger vs. Journalisten. Erst neulich ist der Streit wieder aufgeflammt, als der Bundestag einigen Bloggern die Akkreditierung verweigerte. So allmählich nervt die Debatte. Bitte hört auf damit! Denn eine Antwort ist schwierig, wenn noch nicht mal klar ist, wo eigentlich das Problem liegt.
Während die Zahl der klassischen, also der ausgebildeten, also der richtigen Journalisten weiter abnimmt - Verlage und Sender sparen sich in gefährliche Untiefen -, schießen immer mehr Blogs aus dem Boden. Sie tun das, was den eben erwähnten "offiziellen" Journalisten richtig weh tut. Sie konfrontierten sie mit interessanten, sauber recherchierten, exklusiven Storys. Es geht um die Ehre. Und sie erhöhen den Druck auf Behörden und Unternehmen, sich nicht mehr nur gegenüber den beauftragten Fragestellern zu erklären, sondern gegenüber einer noch breiteren Öffentlichkeit. Das kann eigentlich nur gut sein.
"Journalismus ist nicht nur Beruf, sondern Berufung", diesen Spruch hab ich erst kürzlich von einem Journalisten gehört, Nachwuchsjournalist wohlgemerkt, jung und voller Elan. Schön, diese Leidenschaft. Unschön, dass er dann gleich noch die Feststellung nachschoss, dass Blogger ja keine Journalisten seien, weil es a) fast nie ihr Beruf ist und b) von journalistischer Qualität ja meist nicht die Rede sein könne. Für ihn ist Journalist nur, wer in den Medien arbeitet. Dort, wo auf Papier gedruckt wird oder Empfangsgeräte notwendig sind. Dort, wo ein Studium oder Volontariat Einstellungsvoraussetzung ist.
Warum ist diese Abgrenzung vielen - nicht nur Journalisten - noch immer so wichtig? Man könnte etwas Grundsätzlicheres beklagen: Journalist kann sich nennen, wer irgendwo irgendwas veröffentlicht. Dazu braucht man noch nicht mal ein regelmäßig beschriebenes Blog. Ein Volontariat ist nicht mehr als ein langes Praktikum, so sieht es der Staat. Und wer Journalistik studiert, kann auch gleich Philosophie studieren. Es sagt nichts darüber aus, ob man ein guter Journalist ist oder nicht.
Trotzdem glauben viele Journalisten, viele Pressestellen und viele Gelehrte, die sich irgendwie mit Medien beschäftigen, dass nur Journalist ist, wer das gelernt hat oder in den Medien arbeitet. Und gleichzeitig, dass Blogger keine Journalisten sein können, sondern Menschen, die das Internet mit allem möglichen vollschreiben. Dabei landen selbst Blogs, hört hört!, immer wieder Scoops und setzen Themen, was dann wiederum dankend von den etablierten Medien aufgenommen wird. Irgendwie schizophren, dieses Verhältnis.
Sicher: Nicht jeder der unzähligen Blogger in Deutschland - die Schätzungen reichen von 300.000 bis 1,5 Millionen - bloggen aus journalistischem Antrieb oder mit journalistischem Anspruch. Das tun Promi-, Lifestyle- und Frauenmagazine aber überwiegend auch nicht, wenn man die journalistischen Tugenden zugrunde legt. Die Debatte Blogger vs. Journalisten geht das Thema von der falschen Seiten an. Was zählt, ist der Output, nicht die Plattform. Vergesst alles andere.
Beide Seiten - Blogger und Journalisten - können den gleichen Background haben, ähnlich erfahren sein und ähnlich arbeiten. Nur das Ergebnis, die Story, unterscheidet sich. Der Journalist berichtet eher sachlich-objektiv, der Blogger aus der Ich-Perspektive und mit reichlich Meinung versehen. Er ist im Zweifelsfall authentischer.
Blogs sind eine offene Form von Journalismus. Sie haben den Zugang zu Journalismus erweitert. Nicht mehr Ausbildung, Karriere oder Ruf zählen, sondern Neugier, Selbstbewusstsein und Talent. Die Bezahlung sind Klicks, nicht Zeilenhonorare. Ein Blogger muss nicht das sein, was viele als Journalist ansehen - und nur das -, wenngleich ein Mindestmaß an journalistischem Handwerk natürlich dazugehört. Am Ende ist Journalist, wer journalistisch korrekt arbeitet.
Blogger können - und das mag viele Verteidiger journalistischer Tugenden verstören - sogar journalistischer sein als die, die bei der guten alten Presse arbeiten. Sie sind im Prinzip unabhängiger. Ihnen sitzen in aller Regel weder Verleger noch Werbepartner im Nacken. Und ohne themenzerredende, zeitintensive Redaktionskonferenzen läuft es oft auch runder. Blogger sind in Auswahl, Aspekten und Gewichtung ihrer Themen frei, sie bestimmen autark. Als klassischer Journalist könnte man neidisch werden.
Die Grenzen lösen sich ohnehin immer mehr auf. Viele Journalisten bloggen, viele Blogger schreiben mittlerweile für etablierte Medien, immer mehr Medien verlinken auf Blogs und Twitter - Quellen, die immer wichtiger werden. Man befruchtet sich schon längst gegenseitig, obwohl man immer noch in Schubladen denkt. Wenn die Dauerdebatte etwas Gutes hat, dann die Chance, dass alle Seiten voneinander lernen. Dafür müssten viele Journalisten und Berufskommunikatoren aber erst von ihrem hohen Ross steigen.
Crosspost von heutigentags.
TOP-BLOGS