Quantcast
Channel: Germany
Viewing all articles
Browse latest Browse all 18967

Ich. Mag. Sie. Nicht! (4) - Der FC Bayern und das ganz normale Geschäft

$
0
0
"Now I know you won't refuse / Because we've got so much to do / And you got nothing more to lose / So take this number and welcome to..."
(Queensryche, 'Operation: Mindcrime')


Ein neues Jahr, die Rückrunde der Fußballbundesliga beginnt, der FC Bayern gewinnt sein Auftaktspiel standesgemäß gegen freundliche Gladbacher. Die Sonne geht auf, die Sonne geht unter.

Seit Anfang Januar wissen wir, dass das wohl noch ein paar Jahre so weiter geht. Ein neuer Mega-Super-Spieler für die Mega-Super-Bayern. Robert Lewandowski wechselt vom BVB zum FCB. Die Anhänger des Rekordmeisters freuen sich über noch mehr erstklassiges Spielermaterial. Die BVB-Fans sind heilfroh das es vorbei ist und stellen bei dem Thema schon lange die Ohren auf Durchzug.

Auch den talentierten Sebastian Rode zieht es ablösefrei von der Frankfurter Eintracht zum Rekordmeister. Kein Mensch weiß, was er dort glaubt erreichen zu können, im zentralen Mittelfeld gibt es bereits haufenweise Spieler mit mehr Erfahrung. Der zarte Traum vom Stammplatz reicht wohl aus, um die Vernunft in die Kabine zu schicken. Wie sowas höchstwahrscheinlich ausgeht? Man frage nach bei: Tobias Rau, Jan Schlaudraff, Marcell Jansen, Tim Borowski, Mitchell Weiser oder Jan Kirchhoff. (Die Liste ist äußerst unvollständig.)

Um zu illustrieren wie der FC Bayern tickt, muss man sich nur an den TV-Auftritt von Paul Breitner im ZDF-Sportstudio erinnern. Kurz vor dem Champions League-Finale im Mai 2013 saß er da und erläuterte, warum es total toll wäre, wenn neben Mario Götze auch noch Lewandowski zu den Bayern käme. Am besten sofort, nicht erst nächstes Jahr. Dabei machte diese Mannschaft wahrlich nicht den Eindruck, sie hätten noch Verstärkung nötig.

Für Breitner war die Sache klar: Der FC Bayern möchte nicht nur ganz oben sein, sondern auch ganz oben bleiben. Und dazu müssen einfach immer die Besten nach München ziehen. Immer. Ist doch klar.

Es hatte ein bisschen was vom römischen Stadthalter, der den unterjochten Völkern freundlich aber bestimmt die Verhältnisse erklärt: 'Wir sind das große Imperium, wir wollen auch fortan über euch herrschen. Das müsst ihr jetzt einfach mal verstehen, okay?' Neben ihm saß Lars Ricken artig auf seinem Stühlchen und starrte Löcher in die Luft. Gegenrede? Fehlanzeige.

Mit Lewandowski hat der FC Bayern dem BVB nun das zweite Filetstück innerhalb kürzester Zeit abgeluchst. Die Borussia gilt ja als der Verein, der in Deutschland die besten Voraussetzungen zum Bayernkonkurrenten erfüllt, falls nicht eben mal die komplette Abwehr ausfällt. Alle anderen wollen ja nur artig "Best of the Rest" werden. (Seit kurzer Zeit wird tatsächlich auch der betuchte VfL Wolfsburg ins Spiel gebracht, der aber außer einem prallem Konto keine Argumente auf seiner Seite hat.)

Dass so etwas an der Säbener Straße Methode hat, wurde in den Medien zu Genüge diskutiert. Und das ist die objektive Wahrheit, keine Frage. Es ist trotzdem merkwürdig, wie patzig und dünnhäutig die bayernaffine Netzöffentlichkeit auf dieses Argument reagiert: 'Wäh wäh wäh, stimmt doch gar nicht!'

Bayernfans lieben und genießen den Neid der Anderen, verbitten sich jedoch jeden Vorwurf, ihr geliebter Rekordmeister würde die Ligakonkurrenz systematisch schwächen. Es lohnt sich also, einen Blick auf die üblichen Einwände zu werfen.

Beliebter Einwand Nr. 1: Zuerst einmal ist der FC Bayern München eine Top-Adresse in Europa. Im Augenblick sogar DIE Top-Adresse in Europa.

Damit ist für manche Leute die Argumentationskette bereits beendet. Wie wir von Paul Breitner bereits lernen konnten: Wer an der Spitze steht, möchte dort nicht weg. Lewandowski und Götze sind unbestritten zwei der Besten ihres Faches. Ergo: Der FC Bayen will sie. Ihr Kauf schwächt gleichzeitig den ärgsten Ligakonkurrenten. Und das soll nicht einmal ein angenehmer Nebeneffekt sein? Wer will das denn bitte schön glauben? Ist es ein Zufall, dass in den letzten Jahren so gut wie kein Spieler von Leverkusen, Schalke oder Gladbach auf Karl-Heinz Rummenigges Einkaufszettel stand?

Beliebter Einwand Nr. 2: Die anderen machen es doch genauso, die kaufen doch auch Spieler von kleineren Vereinen weg, spielt euch doch nicht so auf! Natürliche Nahrungskette! Alles Neid!

Das ist bis zu einem bestimmten Punkt auch richtig. Die ganz Großen bedienen sich bei den nicht ganz so Großen. Die wiederum suchen sich die Spieler gerne bei den Klubs der mittleren und unteren Tabellenregion. Die wiederum schauen gerne mal nach, was in den Spitzenpositionen der nächstunteren Spielklasse so rumkickt. Und so weiter. Das kann man so lange durchgehen bis man in den Sphären des Fußballs ankommt, wo die Mannschaft aus den eigenen guten Kumpels besteht und der Schiedsrichter im Zweifelsfall durch einen Kasten Bier ersetzt wird.

Es ist aber ein Unterschied, ob man Talente erkennt und formt, oder sich mit schnippischem Hinweis auf die eigene Vormachtstellung die Rosinen herauspickt. Das was Europas größte Topvereine machen, ist im Grunde nicht die größte Kunst. Das Spieler wie Gareth Bale, Edinson Cavani oder Falcao erstklassig sind, weiß so ziemlich jeder Halbinteressierte mit Internetzugang oder Sky-Abo. Das aus dem Torschützenkönig der polnischen Ekstraklasa einer der begehrtesten Stürmer der Welt wird, war alles andere als abgemachte Sache.

Der BVB kaufte den Von-Polen-in-die-Bundesliga-Lewandowski, die Bayern holen den Vier-Tore-gegen-Real-Madrid-Lewandowski. Vereine wie Borussia Dortmund schleifen Rohdiamanten. Vereine wie Bayern München kaufen sich die geschliffenen, funkelnden Edelsteine. Es steht jedem frei das gut oder schlecht zu finden, oder unter 'business as usual' abzuhaken. Aber jedes ehrliche 'Ätsch-wir-können-das-halt' ist mir irgendwie lieber als dieses scheinheilige 'Wäh-wäh-wäh-stimmt-doch-gar-nicht'.

Beliebter Einwand Nr. 3: Warum unterschreiben die Spieler denn bitteschön immer wieder beim FC Bayern? Zwingt sie irgendwer dazu? Vielleicht sogar mit Geld??

Durchaus touché. Beim Vereinswechsel ist es wie mit dem Fremdgehen: Es gehören zwei dazu. Es ist ein komplexer Kreislauf: Seit den Siebzigerjahren sind die Bayern ganz oben. Die Konkurrenz hingegen wechselte im Jahrzehntrhythmus: In den Siebzigern die Gladbacher, in den Achtzigern HSV und Werder, in den Neunzigern Borussia Dortmund plus diverse Zufallsmeister. In den Zweittausenderjahren im Grunde niemand.

Die Gründe, warum sich keiner dieser Vereine langfristig oben halten konnte, sind von Fall zu Fall unterschiedlich. Doch spätestens im letzten Jahrzehnt etablierte sich die Mentalität: Wer in Deutschland Potenzial hat und Titel holen will, muss eigentlich zum FC Bayern, zur Numero Uno. Dieses Pfund können Hoeneß und Co. immer in die Waagschale werfen.

Und da beißt sich die Katze wieder und wieder in den Schwanz: Wenn sich in Deutschland auf lange Sicht nicht wenigsten zwei weitere Teams etablieren, die eine Alternative zu den Bayern darstellen, wird dieses Argument immer wieder ziehen. (Wenn es nicht einfach nur, pardon, nur des Geldes wegen ist.)

Und da wären wir wieder beim Ausgangspunkt. Um etwaige Konkurrenz im Keim zu ersticken, hat man in München ein Hausrezept, altbewährt und gern verschrieben. In der Augsburger Allgemeinen wurde schon gewitzelt, dass sich sämtliche Bayernscouts bald auf dem Trainingsgelände in Dortmund Mietwohnungen nehmen könnten.

Nach den Wechselgerüchten um Reus, Gündogan oder Hummels an die Isar, kann man jetzt schon die Uhr stellen. Vielleicht ist auch mal wieder ein Leverkusener oder Schalker dabei, spaßeshalber, nur um die Furcht in den Augen des Ligapöbels zu sehen. Man gönnt sich ja sonst nichts.

Viewing all articles
Browse latest Browse all 18967

Trending Articles



<script src="https://jsc.adskeeper.com/r/s/rssing.com.1596347.js" async> </script>