Heute stimmen die Schotten darüber ab, ob sie aus der seit knapp 300 Jahren bestehenden staatlichen Einheit Großbritanniens austreten wollen. Das erscheint erst mal als Randereignis. Wie bei Dominosteinen kann das aber eine Reihe von Folgeereignissen auslösen.
Selten lässt sich genau vorhersagen, wo die Kettenreaktion endet. Ein gutes Beispiel für einen derartigen Dominoeffekt sind die Probleme, die 2009 in Griechenland bekannt wurden und in der Euro-Krise immer weitere Kreise zogen.
Stellen wir uns einmal vor, Schottland votiert heute für eine Loslösung von Großbritannien. In den Tagträumen der Unabhängigkeitsbefürworter brechen dann utopische Zeiten an: Man behält die Einnahmen aus dem Nordseeöl, genießt weiterhin alle Annehmlichkeiten der EU-Mitgliedschaft wie etwa Reisefreizügigkeit und Zugang zum Binnenmarkt, bekommt ein besseres Schul- und Gesundheitssystem, das Pfund bleibt Zahlungsmittel und die Queen das Staatsoberhaupt. Unannehmlichkeiten sind nicht vorgesehen.
Die Wirklichkeit dürfte bei Weitem prosaischer ausfallen: Die beiden größten schottischen Banken und der größte Lebensversicherer haben für den Fall der Unabhängigkeit bereits ihre Übersiedlung nach England angekündigt. Die EU würde ein unabhängiges Schottland nicht als „geborenes Mitglied", sondern als neues Land werten. Es kann sich dann zwar um eine Mitgliedschaft bewerben, ist aber erst mal aus sämtlichen Vereinbarungen wie dem Binnenmarkt ausgeschlossen.
Dass die Banken sofort ihren Hauptsitz verlagern würden, darf nicht weiter verwundern. Ihre Bilanzsumme liegt bei 1200 Prozent der schottischen Wirtschaftsleistung. Ähnlich wie in Island wären sie deutlich zu groß, um vom schottischen Steuerzahler gerettet zu werden. Bereits im Jahr 2008 trat der Fall ein, dass London diese beiden Institute unterstützen musste. Dass eine nochmalige Rettung durch Rest-Britannien erneut so reibungslos ablaufen würde wie damals, das kann man getrost ausschließen.
Zudem sind alle hässlichen Details der Trennung von Großbritannien bislang ungeklärt. In Analogie zu einer Scheidung: Am Freitag geben die Partner vielleicht ihre Trennung bekannt, über die Aufteilung des Hausrats haben sie sich aber nicht ansatzweise geeinigt. Die Liste ist lang: Aufteilung der Staatsschulden, Stationierung der atomaren Unterseeflotte (bislang in Schottland), Erblasten aus der Ölförderung (wer zahlt eigentlich für die Verschrottung der Bohrplattformen?) und vieles mehr.
Selbst wenn die schottische Seite guten Willen zu zügigen Verhandlungen über diese Aufteilung des Hausrats zeigt. Es ist noch nicht einmal gesichert, dass es dafür überhaupt einen handlungsfähigen Gesprächspartner gibt.
Ein paar durchaus wichtige Details könnten dem entgegenstehen: Im britischen Föderalismus gibt es zwar Parlamente für Schottland, Wales und Nordirland, aber keines für England. Im (Gesamt-)britischen Unterhaus sitzen dafür 59 schottische Abgeordnete.
Rest-Britannien müsste sich vermutlich erst einmal um sich selbst kümmern und offene Fragen klären - etwa über den Umgang mit den verbliebenen schottischen Abgeordneten. Auch das dürfte nicht ganz leicht sein, da bei deren schematischer Herausrechnung sich die Mehrheitsverhältnisse deutlich verändern würden.
Die Konservativen benötigten dann etwa die Liberaldemokraten nicht mehr als Koalitionspartner, weil Labour 16 Prozent seiner Abgeordneten verlöre. Die Konservativen würden zwar über eine Mehrheit verfügen, wären damit vermutlich aber auch nicht richtig glücklich. Immerhin heißen sie vollständig Conservative and Unionist Party. Unionist heißt übersetzt „britische Einheitspartei".
Vermutlich bräuchte Premier David Cameron schon allein deshalb schnell Neuwahlen, damit sich seine Partei nach dem Unabhängigkeitsreferendum nicht selbst zerfleischt und ihn als Schuldigen opfert. Neuwahlen in Rest-Britannien und zügige Verhandlungen über die Scheidungsdetails mit Schottland passen aber nicht wirklich gut zusammen.
Eine längere Phase der grundlegenden Unsicherheit bedeutet natürlich auch, dass es keine vernünftige Planungsgrundlage für die Privatwirtschaft gibt. In Schottland noch viel weniger als in Rest-Britannien. Das ist nach aller Erfahrung Gift für die Konjunktur.
Für die anderen Staaten Europas dürften sich die Effekte zunächst in Grenzen halten. Eines sollte man sich allerdings vor Augen halten: Schottland ist deutlich stärker pro-EU eingestellt als der Rest Großbritanniens. So gibt in Umfragen eine Mehrheit von 53 zu 34 Prozent der Schotten an, für einen Verbleib in der EU zu sein. In England liegt das Verhältnis bei 42 zu 48 Prozent.
Im Zuge einer schottischen Unabhängigkeit könnte folgender Unfall passieren: Schottland wird unabhängig, darf aber in der EU nicht mitspielen. Zum Beispiel, weil Spanien keinen Präzedenzfall für die katalanischen Separatisten zulassen will und eine Aufnahme Schottlands blockiert. Rest-Britannien dürfte zwar weiter mitspielen, will aber nicht.
Das kann beispielsweise 2017 auf Basis eines angekündigten Referendums über die EU-Mitgliedschaft passieren, weil dann die schottischen pro-EU Stimmen bereits fehlen. Per Verkettung von Umständen hätte die EU dann ihren drittgrößten Netto-Zahler (nach Deutschland und Frankreich, aber vor Italien) verloren. Ob dann in der EU alles so bleibt, wie es ist, kann wohl niemand verlässlich sagen.
Zugegeben: Schottland ist eine eher kleine Region am geographischen Rand der Union. Seine Wirtschaftsleistung entspricht nur 9,0 Prozent der britischen Wirtschaft und 1,3 Prozent der EU-Wirtschaft.
Doch wie der kleine umkippende Dominostein könnte auch Schottlands Entscheidung der Auslöser für eine größere Kettenreaktion sein, an deren Ende eine verkleinerte oder sogar völlig veränderte EU steht. Allerdings gibt es - zum Glück - ja auch noch die Möglichkeit, dass am Donnerstag gar nichts passiert und Schottland einfach für seinen Verbleib stimmt.
Selten lässt sich genau vorhersagen, wo die Kettenreaktion endet. Ein gutes Beispiel für einen derartigen Dominoeffekt sind die Probleme, die 2009 in Griechenland bekannt wurden und in der Euro-Krise immer weitere Kreise zogen.
Stellen wir uns einmal vor, Schottland votiert heute für eine Loslösung von Großbritannien. In den Tagträumen der Unabhängigkeitsbefürworter brechen dann utopische Zeiten an: Man behält die Einnahmen aus dem Nordseeöl, genießt weiterhin alle Annehmlichkeiten der EU-Mitgliedschaft wie etwa Reisefreizügigkeit und Zugang zum Binnenmarkt, bekommt ein besseres Schul- und Gesundheitssystem, das Pfund bleibt Zahlungsmittel und die Queen das Staatsoberhaupt. Unannehmlichkeiten sind nicht vorgesehen.
Die Wirklichkeit dürfte bei Weitem prosaischer ausfallen: Die beiden größten schottischen Banken und der größte Lebensversicherer haben für den Fall der Unabhängigkeit bereits ihre Übersiedlung nach England angekündigt. Die EU würde ein unabhängiges Schottland nicht als „geborenes Mitglied", sondern als neues Land werten. Es kann sich dann zwar um eine Mitgliedschaft bewerben, ist aber erst mal aus sämtlichen Vereinbarungen wie dem Binnenmarkt ausgeschlossen.
Dass die Banken sofort ihren Hauptsitz verlagern würden, darf nicht weiter verwundern. Ihre Bilanzsumme liegt bei 1200 Prozent der schottischen Wirtschaftsleistung. Ähnlich wie in Island wären sie deutlich zu groß, um vom schottischen Steuerzahler gerettet zu werden. Bereits im Jahr 2008 trat der Fall ein, dass London diese beiden Institute unterstützen musste. Dass eine nochmalige Rettung durch Rest-Britannien erneut so reibungslos ablaufen würde wie damals, das kann man getrost ausschließen.
Zudem sind alle hässlichen Details der Trennung von Großbritannien bislang ungeklärt. In Analogie zu einer Scheidung: Am Freitag geben die Partner vielleicht ihre Trennung bekannt, über die Aufteilung des Hausrats haben sie sich aber nicht ansatzweise geeinigt. Die Liste ist lang: Aufteilung der Staatsschulden, Stationierung der atomaren Unterseeflotte (bislang in Schottland), Erblasten aus der Ölförderung (wer zahlt eigentlich für die Verschrottung der Bohrplattformen?) und vieles mehr.
Selbst wenn die schottische Seite guten Willen zu zügigen Verhandlungen über diese Aufteilung des Hausrats zeigt. Es ist noch nicht einmal gesichert, dass es dafür überhaupt einen handlungsfähigen Gesprächspartner gibt.
Ein paar durchaus wichtige Details könnten dem entgegenstehen: Im britischen Föderalismus gibt es zwar Parlamente für Schottland, Wales und Nordirland, aber keines für England. Im (Gesamt-)britischen Unterhaus sitzen dafür 59 schottische Abgeordnete.
Rest-Britannien müsste sich vermutlich erst einmal um sich selbst kümmern und offene Fragen klären - etwa über den Umgang mit den verbliebenen schottischen Abgeordneten. Auch das dürfte nicht ganz leicht sein, da bei deren schematischer Herausrechnung sich die Mehrheitsverhältnisse deutlich verändern würden.
Die Konservativen benötigten dann etwa die Liberaldemokraten nicht mehr als Koalitionspartner, weil Labour 16 Prozent seiner Abgeordneten verlöre. Die Konservativen würden zwar über eine Mehrheit verfügen, wären damit vermutlich aber auch nicht richtig glücklich. Immerhin heißen sie vollständig Conservative and Unionist Party. Unionist heißt übersetzt „britische Einheitspartei".
Vermutlich bräuchte Premier David Cameron schon allein deshalb schnell Neuwahlen, damit sich seine Partei nach dem Unabhängigkeitsreferendum nicht selbst zerfleischt und ihn als Schuldigen opfert. Neuwahlen in Rest-Britannien und zügige Verhandlungen über die Scheidungsdetails mit Schottland passen aber nicht wirklich gut zusammen.
Eine längere Phase der grundlegenden Unsicherheit bedeutet natürlich auch, dass es keine vernünftige Planungsgrundlage für die Privatwirtschaft gibt. In Schottland noch viel weniger als in Rest-Britannien. Das ist nach aller Erfahrung Gift für die Konjunktur.
Für die anderen Staaten Europas dürften sich die Effekte zunächst in Grenzen halten. Eines sollte man sich allerdings vor Augen halten: Schottland ist deutlich stärker pro-EU eingestellt als der Rest Großbritanniens. So gibt in Umfragen eine Mehrheit von 53 zu 34 Prozent der Schotten an, für einen Verbleib in der EU zu sein. In England liegt das Verhältnis bei 42 zu 48 Prozent.
Im Zuge einer schottischen Unabhängigkeit könnte folgender Unfall passieren: Schottland wird unabhängig, darf aber in der EU nicht mitspielen. Zum Beispiel, weil Spanien keinen Präzedenzfall für die katalanischen Separatisten zulassen will und eine Aufnahme Schottlands blockiert. Rest-Britannien dürfte zwar weiter mitspielen, will aber nicht.
Das kann beispielsweise 2017 auf Basis eines angekündigten Referendums über die EU-Mitgliedschaft passieren, weil dann die schottischen pro-EU Stimmen bereits fehlen. Per Verkettung von Umständen hätte die EU dann ihren drittgrößten Netto-Zahler (nach Deutschland und Frankreich, aber vor Italien) verloren. Ob dann in der EU alles so bleibt, wie es ist, kann wohl niemand verlässlich sagen.
Zugegeben: Schottland ist eine eher kleine Region am geographischen Rand der Union. Seine Wirtschaftsleistung entspricht nur 9,0 Prozent der britischen Wirtschaft und 1,3 Prozent der EU-Wirtschaft.
Doch wie der kleine umkippende Dominostein könnte auch Schottlands Entscheidung der Auslöser für eine größere Kettenreaktion sein, an deren Ende eine verkleinerte oder sogar völlig veränderte EU steht. Allerdings gibt es - zum Glück - ja auch noch die Möglichkeit, dass am Donnerstag gar nichts passiert und Schottland einfach für seinen Verbleib stimmt.