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5 Gründe, warum die Simpsons seit 25 Jahren erfolgreich sind

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Seit 1989 läuft „Die Simpsons" jetzt schon im US-Fernsehen, in Deutschland immerhin seit 1991. Was macht den langanhaltenden Erfolg aus? Der Versuch einer Erklärung


1) „Die Simpsons" ist die perfekte Synthese aus erfolgreichen TV-Genres


Die Serie vereint:

a) Die Comedyserie: Niemand wird bezweifeln, dass die „Simpsons" primär eine Comedyserie ist. Das Alleinstellungsmerkmal der „Simpsons" ist, dass sie die verschiedensten Untergattungen und Humorfarben kombiniert.

Da wäre die Sitcom. Sie arbeitet, wie der Name schon sagt, hauptsächlich mit Situationskomik und basiert stark auf Wortwitz, da das Untergenre aus der großen Zeit des Radios stammt.

Genauso stark bedienen sich die „Simpsons" des Slapsticks, der auf rein körperlichen Humor („Physical Comedy") setzt und in den USA seit der Frühzeit des Kinos eine lange Tradition besitzt („Keystone Cops", „Laurel and Hardy").

Bei vielen Fans ist der slapstickhafte Humor nicht ganz unumstritten, sie schätzen ihre „Simpsons" eher als Satire, die sozialkritische und politische Spitzen setzt. Wie es typisch für popkulturelle Phänomene der 90er-Jahre ist, lässt sich die Satire aber nicht auf einen festen Punkt reduzieren, von dem aus bestimmte Richtungen kritisiert werden. Bei den Simpsons bekommt jeder sein Fett weg: Rechte und Linke, Konservative und Progressive.

Typisch für die Serie ist dazu noch ein schräger absurder Humor, der manchmal Züge ins Surreale erhält. Auch das ist eine wichtige Strömung der amerikanischen Komödie, sie läuft vom Vaudeville (der amerikanischen Form des Kabarett) über die Marx-Brothers bis zu den Filmparodien des Teams Zucker-Abraham-Zucker.

b) Die Familienserie: Familiengeschichten haben in den USA eine lange erfolgreiche Tradition. Sie reicht von den braven „Waltons" bis zu der nihilistischen „schrecklich netten Familie", die mit kleinbürgerlichen Familienwerten noch radikaler aufräumt als die Simpsons. Dort wird am Ende meist die chaotische, aber gerade dadurch heile, Familienwelt wieder herstellt oder es wird explizit thematisiert, dass dies nicht immer so einfach ist.

Den „Simpsons"- Machern ist bewusst, dass sie in dieser nicht unproblematischen Tradition stehen. Gerade die im gehobenen Bürgertum spielende Serie „Bill Cosby Show" wird oft parodistisch attackiert. (Die Seitenhiebe gibt es übrigens auch deshalb, weil die beiden Serien in den USA lange zur gleichen Sendezeit liefen, die Konkurrenz wird da eben gerne weggebissen).

c) Die Eheserie: Auch ein Erfolgsmodell, von den „Honeymooners" der 50er-Jahre bis zu „King of Queens". Homer und Marge stehen definitiv in dieser Reihe. Sie sind wie die beiden anderen Serienehepaare ein ungleiches Gespann, bei dem man sich fragt, warum die Frau nur bei diesem Kerl bleibt.

Aber die beiden raufen sich immer wieder zusammen. Das liegt vielleicht daran, dass die duldsame Marge in Homers Eskapaden ihre eigenen Wünsche verwirklicht sieht. Während Homer seine Bedürfnisse offen auslebt und sie gleichzeitig im Griff hat, versucht Marge, ihre Bedürfnisse zu unterdrücken, da sie extrem suchtgefährdet ist (vor allem Alkohol und Glücksspiel).

In der Folge „Sein Kiefer ist verdrahtet" wird genau das thematisiert: Homer muss wegen eines gebrochenen Kiefers seine Triebe unterdrücken und wird brav. Marge wird darüber vor lauter Langeweile zum Adrenalinjunkie.

d) „Trickfilmgewalt": Im Laufe der Jahre arbeitete die Serie immer mehr mit körperlichem, aggressivem Humor, vor allem Homer war wohl schon jeder Form von grotesk überzeichnetem körperlichem Schmerz ausgesetzt. Damit schriebt sich die Serie in die Reihe von Trickfilme wie „Tom und Jerry", die von comichaft überzeichneter Gewalt leben.

Der Clou bei den „Simpsons": Durch die in der Serienwelt laufende „Tom und Jerry"-Parodie „Itchy und Scratchy", die die Gewalt des Vorbilds noch auf die Spitze treibt, werden die Mechanismen und Auswirkungen von medialer Gewaltdarstellung analysiert, ohne sie plump zu verdammen.

2)„Die Simpsons" spricht verschiedene Zielgruppen an
Zunächst wurden die „Simpsons" in Deutschland als reine Kinderserie missverstanden und vom ZDF entsprechend beworben. Dabei sind die „Simpsons" mit ihren Anspielungen, die ein enormes kulturelles Wissen voraussetzen, kein Kinderkram.

Aber auch Kinder können ihren Spaß an den Slapstickszenen haben. Denn die „Simpsons" mit ihrer einzigartigen Mischung aus „Physical Comedy" und „Sophisticated Comedy" kann jeder genießen: Jung und Alt, Gebildete und Ungebildete,
Anarchisten und Akademiker.

Und jede der Zielgruppen hat ihre eigenen Identifikationsfiguren: Anarchisten können sich in dem überzeugten „Underachiever" Bart oder dem triebgesteuerten Homer erkennen, Intellektuelle in Lisa.

Und es gibt in Springfield auch gemischte Charaktere, die fast schon tragisch genannt werden können. In erster Linie Marge, die ihre künstlerischen Ambitionen aufgeben musste, als Homer sie geschwängert hat, dazu der sensible Säufer Barney oder Smithers, der seine Homosexualität unterdrücken muss.


3) „Die Simpsons" ist virtuos inszeniert

„Die Simpsons" ist nicht nur die witzigste und intelligenteste, sondern auch die am besten inszenierte Comedyserie aller Zeiten - Punkt.

Der große Vorteil der „Simpsons" gegenüber ihren „Kontrahenten", die aus Kostengründen meist mit fixen Studioaufnahmen arbeiten ist ihre Gattung: Als animierte Serie ist sie erstens nicht an Budgets für aufwendige Aufnahmen gebunden und zweitens nicht an die physikalischen Beschränkungen der vorfilmischen Realität. Und von diesem Vorteil machen die Regisseure ausgiebig Gebrauch. Sie schwelgen in extremen Kameraeinstellungen, komplexen Montagesequenzen und cleveren visuellen Filmzitaten.

Deshalb können die „Simpsons" es sich auch leisten, die Zuschauer in (fast) jeder Folge mit einem anderen Vorspann zu verwöhnen. Den berühmten Couchgag zelebrieren die Macher mit immer aufwendigeren Ausführungen: Von der kompletten Evolution des Menschen (die ironischerweise vom Einzeller bis zum Stupid White Man Homer als Krone der Schöpfung führt) bis zur Re-Inszenierung des Teppichs von Bayeux, der diesmal nicht die Eroberung Englands, sondern die Wiedereroberung der Familiencouch aus dem Reiche Flanders zeigt.

4) „Die Simpsons" reflektiert die Serie an sich
Die „Simpsons" waren die erste Metaserie überhaupt. Das heißt, die Macher reflektieren immer wieder explizit das Serielle selber. Auch die Figuren sind sich bewusst, dass sie in einer Serie leben.

Im Gegensatz zu Filmen, die ja die Entwicklung eines Protagonisten zeigen, darf sich gerade in auf Langlebigkeit ausgerichteten Serien die Grundkonstellation der Figuren nicht ändern, da die Serie sonst vorbei wäre. Das wird bei den „Simpsons" dadurch ironisch angesprochen, dass die Figuren Ereignisse aus früheren Folgen vergessen, zum Beispiel in dem Running Gag, dass Krusty der Clown sich nie an seine größten Fans Bart und Lisa erinnern kann.

Gerade Sitcoms arbeiten deswegen traditionell mit einer sogenannten zirkulären Dramaturgie: Am Ende jeder Folge ist der Zustand vom Anfang wiederhergestellt, statt der Status quo ante restauriert Oft versucht eine Figur aus den alten Mustern auszubrechen, erfährt am Schluss aber, dass es so gut ist wie es war. (Zum Beispiel in den Episoden „Sein Kiefer ist verdrahtet" oder „Das magische Kindermädchen)

So funktionieren auch die einzelnen „Simpsons"-Folgen, nur wird die Tendenz zu Stagnation und Konservatismus, die diese Dramaturgie mit sich bringt, in der Serie selbst kritisch reflektiert. (Am prägnantesten in diesem Ausschnitt, den ich nur auf Spanisch gefunden habe)




5) „Die Simpsons" ist der letzte große Mikrokosmos

Vielleicht der gewichtigste Erfolgsfaktor: Die „Simpsons" sind der letzte funktionierende Mikrokosmos. In Springfield konzentriert sich die ganze Gesellschaft. Und so einen Entwurf hat sich in der Postmoderne kein anderes Kunstwerk mehr getraut.

Obwohl Springfield die typische amerikanische Stadt repräsentiert (Springfield ist der häufigste Städtename in den USA), wird die Serie in allen Ländern verstanden, auch in nicht-westlichen Kulturkreisen wurde sie mit kleinen Modifizierungen importiert.

Man könnte das natürlich als Ausdruck der scheinbar universellen Kulturhegemonie des Westens in den globalisierten 90er-Jahren sehen, die „Simpsons" werden aber auch nach dem Bröckeln dieses Weltbildes im 21.Jahrhundert verstanden. Und dies liegt wohl daran, dass die „Simpsons" den amerikanischen Lifestyle eben nicht naiv als universell setzten, sondern im Gegenteil parodieren und hinterfragen.


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