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Eurokrise: Aus der Geschichte lernen

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Wir sollten uns glücklich schätzen, das Jahr 2004 im Gedächtnis zu haben. Vor zehn Jahren wurde ein wichtiger, wenn nicht der bedeutendste Grundstein für die europäische Schuldenkrise gelegt. 2004 haben die deutsche Bundesregierung und die französische Regierung gemeinsam dafür Sorge getragen, dass die beiden Länder, die gegen die Defizitquoten des Maastrichtvertrags verstoßen hatten, nicht verwarnt wurden. Die Regeln innerhalb des Stabilitätspaktes wurden gelockert. In der Folge kam es zu einer verstärkten Verschuldung der Euro-Länder sowie zu einer zunehmenden Sorglosigkeit hinsichtlich ihrer Wettbewerbsfähigkeit. Das mündete in der europäischen Schuldenkrise - mit den bekannten Folgen.

Man sagt, die Geschichte wiederhole sich nicht. Man sagt aber auch, sie reime sich, und wir könnten zurzeit tatsächlich Zeugen hiervon sein. Die EU-Kommission und auch Deutschland predigen seit langem völlig zu Recht, dass die meisten Euro-Länder ihre Arbeitsmärkte reformieren müssen. Sie sollen mehr Wettbewerb zulassen und die Märkte öffnen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern und das Wachstumspotential zu stärken. Deutschland dagegen schlägt nun mit Mindestlohn und Rentenpaket einen wirtschaftspolitischen Kurs ein, der genau in die Gegenrichtung geht - sicherlich ein schlechtes Beispiel für die Länder, die mit den notwendigen Reformen auf dem richtigen Weg sind, sich jedoch mit den Folgen einer hohen Arbeitslosigkeit und sozialer Unzufriedenheit der Bevölkerung befassen müssen.

Die großen Euro-Länder gehen auch bei der Haushaltspolitik mit einem schlechten Beispiel voran. So möchte Frankreich einen abermaligen zeitlichen Aufschub erhalten, um die Defizitgrenze von 3% des BIP einzuhalten. Diese Frist wurde bereits zweimal verlängert. In Italien tut sich auch die neue Regierung sehr schwer, die notwendigen Reformen anzugehen, und findet damit auch nicht auf einen langfristig tragfähigen Wachstumspfad.

Die drei großen Euro-Länder Deutschland, Frankreich und Italien geben somit gegenwärtig kein gutes Beispiel für Reformbereitschaft ab. Warum sollen sich die restlichen Euro-Länder auf den steinigen Weg von wirtschaftlichen und sozialen Reformen machen, wo doch die großen Länder ein anderes Vorbild geben?

Zu dem schlechten Vorbild der großen Euro-Länder hinzukommen die unermüdlichen Bemühungen der Europäischen Zentralbank (EZB), das Wachstum im Euroraum zu beleben. Diese münden jetzt in Überlegungen, Staatsanleihen oder Unternehmensanleihen und Unternehmenskredite aufzukaufen. EZB-Chef Draghi sagt aber selbst, dass die EZB aktuell kein wesentliches Deflationsrisiko für den Euroraum sehe. Folglich scheinen die Überlegungen, in großem Stil Wertpapiere aufzukaufen, hauptsächlich zur Stützung des Wachstums gedacht zu sein. Dies ist auf dem ersten Blick sicherlich sehr löblich, da die EWU trotz der positiven Konjunktursignale noch weit von einem selbstragenden Wachstum entfernt ist. Jedoch kann die Reformbereitschaft auch durch diese Art der EZB Politik untergraben werden, da sich die Euro-Länder immer mehr darauf verlassen, dass von der Europäischen Zentralbank die notwendigen Wachstumsimpulse kommen.

Bislang merkt man noch nicht, dass der Reformeifer der kleineren Länder nachlässt. Jedoch sollte es nicht überraschen, wenn es so käme. Wo das enden würde, kann man an der europäischen Schuldenkrise eindrucksvoll betrachten. Jedoch sollte man nicht vergessen, dass die EZB auf eine erneute Zuspitzung der Krise kaum noch reagieren könnte. Die Staatsverschuldung der Euro-Länder ist im Zuge der Krisenbekämpfung in den letzen Jahren bereits deutlich angestiegen, und fiskalische Gegenreaktionen wären nur sehr beschränkt möglich. Eine Rückkehr der Krise (oder auch eine Eurokrise 2.0) träfen auf Finanzmärkte mit einem Bewertungsniveau, das über demjenigen von vor der letzten Krise liegt. Die Folgen an den Finanzmärkten wären entsprechend einschneidend.

Es liegt somit aus meiner Sicht nicht an den kleinen Staaten im Euroraum, nun die Weichen zu stellen. Es sind die großen Euro-Länder Deutschland, Frankreich und Italien, die nun den geschärften Stabilitäts- und Wachstumspakt mit Leben füllen müssen. Sie können nicht von anderen Reformen erwarten, die man selbst nicht leisten kann oder mag. Die EZB sollte den bereits ergriffenen Reformen in den Euroländern etwas mehr Zeit geben und nicht zu früh in Aktionismus verfallen. Denn eigentlich hat man in vielen Ländern im Euroraum bereits einen guten Teil des Reformwegs hinter sich gebracht. Dies sollte man auch entsprechend würdigen, denn eine erneute Krise würde für den Euro tatsächlich gefährlich werden.

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