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Die Rückkehr der Bäume

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Fünf Millionen Hektar in Niger, drei Millionen in Mali, eine Million in Burkina Faso: Die Waldfeldbau-Methode FMNR hat sich in den vergangenen 20 Jahren rasant ausgebreitet. Bei der „Farmer Managed Natural Regeneration" erwecken Kleinbauern in großem Stil totgeglaubte Wälder zum Leben - und leben davon. Ist ihr Siegeszug eine Erfolgsgeschichte der Wissenschaft?

Die Agrarwissenschaft ist auf der ständigen Suche nach der optimalen Sorte, dem optimalen Pflanzabstand, der optimalen Schnittmethode, Bodenfruchtbarkeit, Bodenfeuchtigkeit. Sie dient dem einen Ziel: die jährlichen Ernteerträge zu maximieren.

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Sattes Grün statt staubiges Braun: Durch FMNR entsteht ein gutes Mikroklima für Menschen, Tiere und Pflanzen.

Die Wissenschaft erklärt wichtige Zusammenhänge, die auch bei FMNR relevant sind, zum Beispiel die Apikaldominanz (warum der mittlere Trieb einer Pflanze stärker wächst als die Seitentriebe) oder das Wachstum von Baumstümpfen.

Doch der Hauptgrund für den Erfolg von FMNR ist nicht, dass die Methode wissenschaftliche Erkenntnisse besonders gut umsetzt. Ich bin der festen Überzeugung, dass FMNR vor allem deshalb von Tausenden von Kleinbauern in Dutzenden Ländern Afrikas und Asiens umgesetzt wird, weil es ein kostengünstiges, schnelles und flexibles Instrument ist, das in den Händen der Bauern selbst liegt.

Was ist FMNR? Versteppte Gebiete werden abgesperrt und vor Weidetieren geschützt. Triebe und Wurzelreste, die noch im Boden liegen, erholen sich und beginnen wieder zu sprießen. An alten Baumstümpfen lässt man die stärksten Triebe stehen. Nach kurzer Zeit bildet sich ein kleiner Wald.

Kleinbauern, die FMNR betreiben, lassen so viele Bäume wie möglich auf ihrem Acker wachsen - sie spenden Schatten und schützen die Saat vor der brennenden Sonne. Die Wurzeln, die viele Meter tief in den Boden ragen, speichern die Feuchtigkeit im Boden, Vögel kommen zurück und verbreiten Samen anderer Pflanzen und Bäume. Das Mikroklima ändert sich: Es wird feuchter und kühler. Bis heute ist etwa die Hälfte des Ackerlandes in Niger durch diese Methode wiederbegrünt worden. Und den Bauern, die FMNR auf ihren Ackerflächen umsetzen, geht es wirtschaftlich deutlich besser.

Warum ist das so? Kleinbauern südlich der Sahara müssen in hoch riskanten sozioökologischen Umgebungen überleben. Wenn sie scheitern, kann das für sie zu einer Katastrophe führen, schlimmstensfalls zum Tod. Dagegen hält der Waldfeldbau ein Instrumentarium bereit: Er ermöglicht ihnen, schnell auf eine wirtschaftliche, ökologische und soziale Veränderung zu reagieren. Hungert das Vieh, gibt der Wald Futter. Sie passen ihre Methode an. Sie brauchen den Ertrag, der ihren Bedürfnissen entspricht, sie brauchen Einkommensstabilität - und nicht die maximale Erntemenge.

2013 schrieb Dr. Richard Stirzaker von der CSIRO in Australien Folgendes:

„Seit den ersten Anfängen in den frühen 80er Jahren habe ich FMNR in Niger verfolgt. Dreißig Jahre danach haben unabhängige Wissenschaftler FMNR als Beitrag zur größten positiven Transformation in der Sahel-Zone anerkannt. Ich stimme dem zu. FMNR ist eine contra-intuitive Idee. Traditioneller Waldfeldbau hat seit jeher versucht, die ultimative Baum-Getreide-Kombination und -Anordnung herauszuarbeiten, für einen optimalen Ertrag. FMNR basiert auf einer sich natürlich regenerierenden Abfolge von Baumarten. Jede einzelne Art wächst nur deshalb, weil sie in genau dieser ökologischen Nische am besten gedeihen und bestehende Beschränkungen überwinden kann. Aus dieser Schablone, die die Natur produziert hat, wählt der Bauer dann aus. Die Bauern erwirtschaften ihr Auskommen, indem sie um diese Bäume herum Lebensmittel anbauen, Futter für ihre Tiere davon abschneiden, Bau- und Feuerholz daraus produzieren.

Der Beitrag, den jede dieser Möglichkeiten zur Lebensmittelsicherheit leistet, hängt von der Baumdichte, der Regenmenge, der Verfügbarkeit von Arbeitskraft und den vorherrschenden Preisen für die einzelnen Produkte ab. In einer sehr wechselhaften Umwelt wird so insgesamt Lebensmittel- und Einkommensstabilität erreicht.

Ich denke nicht, dass Forschungsprogramme, egal wie gut sie finanziert sind, auf diese Idee gekommen wären, weil sie auf kenntnisreiche Weise die Feinheiten der örtlichen, spezifischen Baumauswahl mit den bauernspezifischen Möglichkeiten und Beschränkungen kombiniert."

Dies ist kein Angriff auf die „gute" Wissenschaft. Wir müssen auch künftig die Ziele im Auge behalten, auf die sich FMNR zubewegen kann. Es ist vielmehr ein Aufruf, das Augenmerk stärker auf die Bedürfnisse der Bauern zu richten, sie in die wissenschaftlichen Methoden mit einzubeziehen und manchmal sogar ihrem Weg zu folgen - dem Weg der Bauern.

Interessanterweise gewinnen viele Bauern durch die von ihnen selbst geregelte Waldwirtschaft mehr Selbstvertrauen. Sie verstehen besser, welche Bedeutung die Bäume auf ihrem Ackerland haben. Und nach und nach fangen die ersten an, mit dem Anbau wertvoller Sorten (Obst, Holz, Futterpflanzen) zu experimentieren, die bislang nicht durch FMNR abgedeckt wurden.

Tony Rinaudo ist Berater für den Umgang mit natürlichen Ressourcen. Nachhaltige Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Wiederaufforstung in Entwicklungsländern sind seine Schwerpunkte. Seine Expertisen und Forschungen auf dem Gebiet der FMNR - Farmer Managed Natural Regeneration - und des Einsatzes essbarer Akazien brachten ihm weltweit Anerkennung ein. Seit 1999 ist der Australier beim internationalen Kinderhilfswerk World Vision tätig.


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